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Schau mir in die Augen, Kleines

Aus der Redaktion Autor: Maria Fett

© MT
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Der Mund-Nasen-Schutz zwingt uns dazu, uns wieder verstärkt in die Augen zu blicken. Neben der ein oder anderen Filmanspielung bietet uns dies die Chance, zu erkennen, wer es ernst mit uns meint und wer ein Lächeln nur vortäuscht. Ein Plädoyer für mehr Augenkontakt.

Mit tiefer, sonorer Stimme knurrt Humphrey Bogart die legendären Worte in Ingrid Bergmans Ohr, während er sein Glas erhebt und ihr zuprostet: Schau mir in die Augen, Kleines. Zumindest wurde er in der ersten Synchronfassung des Filmklassikers Casablanca so übersetzt. Unvergessen bleibt auch der sehnsuchtsvolle Blick, den sie erwidert.

Knapp 80 Jahre später kommen wir in Versuchung, es „Rick“ und „Ilsa“ gleichzutun. Zwar scheuen wir eher den intensiven Blickkontakt zu uns fremden Personen und spüren sicher nur selten dieses erotische Knistern, wie es zwischen Bergman und Bogart geherrscht haben mag. Doch zwingt uns der Mund-Nasen-Schutz im öffentlichen Raum nun faktisch dazu, unserem Gegenüber häufiger in die Augen zu schauen.

Wenn rund zwei Drittel des Gesichts hinter einer Maske verborgen liegen, läuft ein Großteil der Mimik ins Leere. Das aufmunternde Lächeln an der Supermarktkasse bleibt dem gestressten Mitarbeiter ebenso verborgen wie das leichte Kräuseln der Lippen, wenn uns etwas missfällt. Unsere gewohnte Kommunikation stellt das vor ein Problem, schließlich ziehen wir in westlich geprägten Kulturkreisen einen Großteil der nonverbalen Informationen aus dem Mundbereich.

Helfen könnte ein Blick in asiatische Länder, in denen das Tragen von Masken schon längst zum Alltag gehört. Vermutlich achten die Menschen dort mehr auf die Augenpartie, um Ausdruck und Gefühle ihres Gegenübers zu deuten. Auch bekommt man das Gefühl, ihnen ein Lächeln von den Augen ablesen zu können. Dieses „echte“ Lächeln hat als Duchenne-Lächeln Einzug in die Literatur gehalten. Nun könnte uns das Wissen darum helfen zu erkennen, wer es wirklich ernst mit uns meint.

Denn glücklicherweise unterscheiden sich die federführend vom US-amerikanischen Anthrophologen Paul Ekman beschriebenen Basisemotionen kulturübergreifend nur wenig. Wut, Ekel, Verachtung, Freude, Überraschung, Trauer und Angst gehen alle mit charakteristischen, unwillkürlichen Bewegungen der Gesichtsmuskulatur einher. Lacht uns beispielsweise jemand ehrlich an, kontrahiert dessen Musculus zygomaticus major auf beiden Seiten und zieht die Mundwinkel nach oben. Um die Augen zeigen sich dabei (je nach Alter) die oft unliebsamen „Krähenfüße“. Bei einem vorgespielten Lächeln fehlen diese.

Vielleicht sollten wir das Tragen der Maske nicht als lästige Notwendigkeit sehen, sondern als Chance nutzen. Als Chance, uns nicht von falschen Gesten und Gebaren ablenken zu lassen. Als Chance, selbst mehr mit den Augen und damit echt zu lächeln. Und als Chance, uns wieder mehr in die Augen zu schauen. Ganz im Sinne der zweiten Casablanca-Synchronisation, in der Bogart wie folgt übersetzt wurde: Ich schau Dir in die Augen, Kleines.

Maria Fett
Medizinredakteurin Medical Tribune

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