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Sorge vor dem Praxis-Zwangsaufkauf fördert das Interesse an MVZ

Gesundheitspolitik Autor: Thomas Trappe

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Da immer weniger Ärzte eine eigene Praxis wollen, wird die Zahl der MVZ weiter wachsen, sagt der Chef des MVZ-Bundesverbands, Dr. Bernd Klöppl. Dieser Trend spiegele sich aber noch nicht in der ärztlichen Selbstverwaltung wider.

Die gestiegene Bedeutung angestellter Ärzte werde in keiner Weise bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) abgebildet, meint Dr. Köppl. "Die Vertretung der Ärzte in den KVen ist stark verbesserungsbedürftig. Über unsere elementaren Angelegenheiten entscheiden Kollegen, die nicht unsere Freunde sind."

2015 hat es laut Dr. Köppl im Bundesgebiet 2156 Medizinische Versorgungszentren gegeben, 910 von ihnen in Trägerschaft von Krankenhäusern. Tendenziell würden MVZ und andere kooperative Formen wichtiger, die Niederlassungen unwichtiger. Nur noch 46 % der im ambulanten Sektor tätigen Ärzte arbeiteten alleine in einer Praxis. "Das ist eine dramatische Entwicklung", so Dr. Köppl, auch weil ein Großteil der ambulant tätigen Ärzte sich damit in den Vertreterversammlungen und sonstigen Gremien der KV nicht repräsentiert sehe.

Wolfgang Pütz ist Jurist bei der KV Berlin und dort unter anderem für Zulassungsverfahren und Nachbesetzungsverfahren zuständig. Pütz machte bei der BMVZ-Tagung deutlich, dass seine KV ihre Einstellung zu den lange bekämpften MVZ inzwischen geändert hat und diese nun unterstützt: "Wir haben in unserer KV das liberalste und dynamischste Zulassungsverfahren für MVZ etabliert."

Pütz appellierte an andere KVen, das als Vorbild zu nehmen. 60 MVZ-Zulassungen habe es in diesem Jahr in Berlin bereits gegeben, im Schnitt würden sechs Praxen pro Woche von der KV beraten. Mit einer Ausnahme seien dieses Jahr alle MVZ-Gründungen von niedergelassenen Ärzten realisiert worden.

Berlin – der Planungsbezirk mit der höchsten Arztdichte

Berlin ist ein einheitlicher Planungsbezirk, und zwar der mit der höchsten Arztdichte im Bundesgebiet. Dass seit dem Versorgungsstärkungsgesetz der Druck auf die KVen, Arztsitze in überversorgten Gebieten und Fachgruppen aufzukaufen, gestiegen ist, erklärt laut Pütz die Hochzeit bei den MVZ-Gründungen. "Wir haben zu allen Fachgruppen gesagt, in denen es Überversorgung gibt: Wenn Sie in ein MVZ gehen, dürfen wir Ihre Praxis nicht aufkaufen." Diese Möglichkeit werde entsprechend häufig genutzt.

Geht es um diese "Sitzeinbringung" in ein MVZ, plagen aber sowohl KV als auch BMVZ gerade andere Sorgen. Und zwar ein noch nicht verschriftlichtes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom Mai 2016 (Az.: B6KA 21/15 R). Darin wurde am Rande die Frage thematisiert, wie lange Ärzte, die ihren Arztsitz in ein MVZ überführen, in diesem angestellt sein müssen. Klare Regeln gab es dazu bisher nicht, etabliert hatte sich bei den meisten Zulassungsausschüssen eine Frist von drei bis sechs Monaten.

Das BSG scheint jetzt eine andere Zeitspanne vorschreiben zu wollen: drei Jahre. Damit sollen Alibi-Anstellungen verhindert werden, die nur stattfinden, damit die gesetzliche Vorgabe zur Arztsitzübertragung erfüllt sind.

Neuer Druck auf die KVen, Arztpraxen aufzukaufen

"Das ist politisch der Supergau", sagte KV-Jurist Pütz. Es gebe für Praxisinhaber, die sich nicht drei Jahre lang anstellen lassen wollten, mit diesem Urteil keine andere Möglichkeiten mehr als die freiberufliche Ausschreibung. "Das wird definitiv den Druck auf den Aufkauf bei den KVen wieder erhöhen", so Pütz. Bundesweit sei nun schon eine Häufung von Praxis­aufkäufen zu beobachten. "Die Tendenz geht nach oben."


Quelle: Jahrestagung des Bundesverbandes Medizinische Versorgungszentren (BMVZ)

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