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Sporteln gegen Demenz - das kann lustig werden

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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Nicht genug, dass Wissenschaftler dem Sport einen festen Platz in der Demenzprophylaxe einräumen. Bald wird man auch den therapeutischen Effekt erforschen. Dr. Robert Oberpeilsteiner sieht schon die Flügelhemdchen durch den Park joggen.

Sportler sind, wenn sie sterben, in der Regel noch ganz gut drauf. „Eigentlich schad’ drum,“ sagt daher der Volksmund bedauernd, wenn wieder einer einen sauberen Abgang gemacht hat. Eine Studie aus Dallas hat diese allgemeine Lebenserfahrung jetzt auch noch wissenschaftlich bestätigt. Sie weist nach, dass durch Sport fit gebliebene Best Ager deutlich seltener im höheren Alter an Demenz erkrankten. Die Cooper Center Longitudinal Study hat man mit nahezu 100 000 Probanden durchgeführt und sie soll die größte Datenbank mit objektiv messbaren Gesundheitsdaten sein.


Das Ergebnis hört sich auf den ers­ten Blick sehr gut an. Die Fleißigen werden belohnt! Sie können später einmal lässig kreuzworträtseln und Bild-Zeitung lesen, während der Altersgenosse im Zimmer nebenan vom Neurologen zum fünften Mal gefragt wird, welcher Tag heute ist und wie er heißt. Dennoch habe ich so meine Zweifel an der Studie. Wie soll ich bei einem kauzigen alten Sportler denn überhaupt erkennen, dass er dement ist? Das ist sicher nicht immer einfach. Von manchem, der in der Studie als dement gilt, werden sie zu Hause sagen, der war doch ewig schon so. „Den kenn’ mir gar nicht anders!“

»Sport muss Spaß machen, das ist das Wichtigste«

Ich selbst oute mich gerne als eingefleischten Gesundheitssportler. Das heißt, Bewegung soll Spaß machen und ohne großen Aufwand ablaufen. In einem bequemen Hemderl und in Schlabberhosen. Bloß keine Verpackung als Eishockeytorwart. Aber auch keine enge Stretchhose in der ältere Männer entweder wie ein balzender Auerhahn oder wie ein aufgeschlagener Anatomieatlas der Geriatrie ausschauen.


Und ja, noch etwas, ich bin dabei gern für mich alleine. Ich eigne mich nicht für Nordic-Walking-Rudel, die im Frühjahr jetzt wieder ausschwärmen werden wie die Honigbienen. Ich will auch nicht in einer Halle rumhampeln. Ich will mir nicht von einem weiblichen Feldwebel in einem rosaroten Ganzkörper-Gymnast­ikanzug Befehle geben lassen mit Sprüchen aus Full Metal Jacket („Habt ihr Maden das verstanden?“). So, werden Sie sagen, da bleibt nicht mehr viel übrig, Sie überheblicher Fatzke! Warten wir’s erst mal ab! Noch eine Einschränkung: Im zwanzig Quadratmeter großen Wohnzimmer Rad zu fahren, halte ich für abartig, noch dazu, wenn es ein Rad ist, mit dem ich keinen Meter vorankomme. 


Denn es gibt doch immer noch genügend andere Möglichkeiten. Woher ich das weiß? Vor meiner Hinwendung zur Medizin habe ich schließlich Sport studiert, später liebäugelte ich sogar ein bisschen mit der Sportmedizin, aber ließ es vernünftigerweise sein. Zu sehr Traditionalist, würde ich nie wegen eines Fußballerknies über den Rasen hetzen, wie es die Docs im Fernsehen immer machen. Reine Show. Wenn es heute kaputt ist, ist es morgen auch noch kaputt. In der chirurgischen Ambulanz einer Klinik musst du schließlich auch warten. Da hab ich noch nie einen rennen sehen, obgleich es manchmal vielleicht gar nicht so verkehrt wäre.


Sport soll Spaß machen, sagte ich. Das heißt für mich, rein in die Turnschuhe – ich nenne sie immer noch so, auch wenn sie mittlerweile die siebte Generation eines Modells mit Geldämpfung und allem möglichen technologischen Schnickschnack sind – raus aus der Praxis, auf einem knieschonenden Waldweg mit dem Hund laufen, Gymnastik neben dem Gebirgsquell, am liebs­ten freilich Fatburning am Strand, in mediterraner Luft mit Blick aufs Meer (Letzteres leider nicht oft, eigentlich schon lange nicht mehr, aber vor einigen Jahren einmal, ganz bestimmt ...). Kein Drill, kein Freizeitstress, die Seele baumeln lassen, solange sie noch so an mir hängt.

»Joggen im Nachthemd - die neue Demenztherapie«

Aber zurück zur Demenz-Studie. Gibt es Sportarten, die dem Hirn besonders gut tun? Boxer können wir dabei schon mal vergessen. Manche von ihnen geraten zwar im Lauf der Jahre in einen Zustand, der medizinisch interessant wird. Man spricht dann von der weichen Birne. Aber ich habe noch nirgends gelesen, dass die Strategie, Schläge auf den Körper mit dem Kopf abzuwehren, nachhaltig vor Demenz schützt. Wohl eher das Gegenteil.


Im „Handbuch Gerichtliche Medizin“ ist zu lesen, dass man diesen Zustand im englischen Jargon „goofy“, im italienischen „suonati“  nennt. Wahrscheinlich weil man permanent die Glocken läuten hört. Jeden Tag, die ganze Woche, nicht nur sonntags. Daher gehe ich davon aus, dass im Studiendesign die Boxer eher unterrepräsentiert waren. In der Mehrzahl waren es, vermute ich mal, Jogger, Skiläufer, Schwimmer, Radfahrer und, meinetwegen, vielleicht ein paar sportive Golfer. Aber wohl eher deren Caddies.


Die weiteren Konsequenzen dieser Studie sind ohnehin noch nicht absehbar. Wenn Sport nämlich vor Demenz schützen soll, dann könnten doch auch – so der Umkehrschluss – Demenzkranke vom Sport profitieren. Das wiederum würde bedeuten:  Wir müssen damit rechnen, künftig häufiger ältere Menschen durch Parks und städtische Anlagen hasten zu sehen. Manche sind vielleicht nur mit Nachthemd und Schlappen bekleidet – dann bitte nicht gleich die Polizei rufen. Möglicherweise sind es bloß Testpersonen einer größeren Anschlussstudie mit dem Arbeitstitel: „Sport hilft bei Demenz“. Sollte Ihnen zufällig einer von denen über den Weg laufen, also keine Angst, es ist nicht Goofy, auch wenn er so aussieht. Vielleicht bin’s ja nur ich.

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