Anzeige

Sprechen, Niesen, Husten als fiese Virenschleudern

Autor: Dr. Frauke Höllering

Anzeige

Erkältungszeit in der Hausarzt-Praxis. Wie bleiben Sie zwischen hustenden, niesenden, röchelnden Patienten gesund?

Man konnte es schon im Treppenhaus deutlich hören: Es hustete, schniefte und krächzte, dass automatisch mein Fluchtreflex einsetzte: Was machte ich hier eigentlich? Bloß ab nach Hause, dachte ich. Doch halt: Dies war ja meine Praxis. Und so riss ich mich zusammen und öffnete die Praxistür. Irrte ich mich oder konnte man die Viruslast der Luft geradezu spüren?

Nicht, dass es muffig gewesen wäre. Meine Mitarbeiterinnen rissen regelmäßig so lange die Fenster auf, bis ich Erfrierungen an den Fingern beklagte oder ihnen nur trocken mitteilte, dass ich einen Brief vom Bürgermeister erhalten hätte, der sich dafür bedankte, dass wir mit unseren Heizungen den ganzen Ort erwärmten – und somit schneefrei hielten.

Im weißen Kittel fühle ich mich immuner

Das Wedeln mit der Heizkostenrechnung hatte ich mir schon abgewöhnt, weil ich diese Zahlen lieber schnell in den Schubladen meines Schreibtisches und meines Gedächtnisses verschwinden ließ. Nun also schnell durch den Flur, ein hastiges „Guten Morgen!“ und hinein ins eigene Sprechzimmer. Bildete ich mir doch ein, dass schon das Tragen des weißen Kittels mich quasi Kraft meines Amtes etwas „immu­ner“ machen würde.

Der erste (und der zweite und dritte) Patient war einer der verschnief­testen; man hatte wohl seine Karte etwas nach vorne gelegt, damit er bald wieder das Weite suchen konnte. „Guten Tag, Frau Dokor!“, sagte er und reichte mir höflich die Hand. Nein! Bitte nicht! Aber natürlich war es zu spät und ich schüttelte die dargebotene Rechte. „Jetzt schnell desinfizieren!“, dachte ich. Aber das wäre doch zu unhöflich gewesen, also tat ich erst meine Arbeit.

Diesem Virenschwall wäre auch das robusteste Immunsystem nicht gewachsen

„Sie haben Fieber? Dann lassen Sie mich bitte in Ihren Rachen sehen!“, bat ich und wollte es doch eigentlich am liebsten gar nicht. Aber ich war todesmutig: „Bitte sagen Sie AAh!“, forderte ich den Patienten auf. „Das ist kein Medizinerwitz, ich kann dann einfach die Mandeln besser sehen, weil sich der Gaumenbogen hebt.“ „Aber ich habe doch gar keine …“, hub mein Gegenüber an, wechselte aber sofort auf „Aaaah“, weil ich mich bedrohlich mit einem Spatel näherte.

Sofort hielt ich den Atem an. Diesem Virenschwall wäre auch mein robustes Immunsystem nicht gewachsen gewesen. Und wer weiß, vielleicht war in meinem Atem noch ein Rest des „virenhemmenden Knoblauchs“, den ich am Abend zuvor genossen hatte. Das wäre meinem armen Patienten auch nicht zuzumuten. Schon war es überstanden und das Abhorchen gestaltete sich dann problemlos.

Natürlich beschränkte ich mich nicht auf das „Kassendreieck“ – den kleinen Brustbereich, den man bei zwei offenen Knöpfen des Hemdes erreichen kann –, sondern lauschte der Lunge im Rücken. „Alles in Ordnung!“, erklärte ich, „nach ein paar Tagen im Bett wird es Ihnen besser gehen.“ Ein paar Tipps, eine Krankschreibung und schon tauchte der nächste auf.

Nützt nichts? Egal, Hauptsache, ich glaube daran!

Nach einem langen Vormittag, während dessen sich nur vereinzelt Diabetiker oder Herzkranke in die Phalanx der Erkälteten einreihten (die anderen lagen wahrscheinlich schon erkältet auf dem Sofa und mit Lappalien kommen ja nur Leichtsinnige an solchen Tagen in die Praxis), fuhr ich nach Hause. Kratzte es da nicht schon bei mir im Hals? Ach nein, das war wohl nur Durst. Kitzelte die Nase nicht etwas? Ach was, das war der Sonne geschuldet. Was machte mich bloß so hypochondrisch?

Na klar, ich war seit drei Jahren nicht mehr erkältet gewesen, dank Sauna, Fitnessstudio und Plantschen im Solebad. Ich wollte das auch nicht mehr erleben: Dieses In-die-Praxis-Schleppen mit erhöhter Temperatur (bei Fieber würde man ja zu Hause bleiben), hämmernde Kopfschmerzen, laufende Nase, quälender Husten. Nein danke! In so einem Zustand fiel es mir immer schwer, Patienten geduldig zuzuhören, die gesünder waren als ich. Schnell warf ich eine Vitamintablette ein und danach ein Scheibchen Ingwer. Nützt nichts? Egal, Hauptsache, ich glaube daran!

Anzeige