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Telefon-Psycho-Spielchen treiben mich zur Weißglut

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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Hotlines, Vorzimmerdamen, Rückrufe und Mozarts Kleine Nachtmusik. Oder warum Kommunikation von Arzt zu Arzt so viel einfacher sein könnte.

In letzter Zeit musste ich mehr als sonst telefonieren. Und genau darüber lasst mich bitte heute ein bisschen jammern. Ich mache es schließlich für uns alle. Denn ich bin überzeugt, dass es viele gibt, die beim Telefonieren manches Mal in die Luft gehen möchten wie das HB-Männchen.

Also, das ganze Elend begann damit, dass wir offensichtlich ein Problem hatten. Genauer gesagt, ich war das Problem. Ich merkte es, als ich in der Klinik anrief, am vorwurfsvollen Tonfall der Vorzimmerdame. „Ich habe Ihre Nummer nicht auf meinem Display.“ Mit dieser Bemerkung hatte sie mich schon beim vorherigen Anruf genervt. Dabei wollte ich doch nur mit ihrer Chefin kurz reden und gar nicht angerufen werden.

Und schon war ich auf immer und ewig bei Mozarts Kleiner Nachtmusik

Hatte bloß eine einzige Frage. Eine Sache von zehn Sekunden. Aber weil sie meine Nummer nicht auf ihrem Display hatte, war ich ihr verdächtig. Ohne Display war ich Spam. Auszusortieren. Und dafür setzte sie jetzt alle gängigen Tricks ein. Sie hielt mich hin. Werde es ausrichten. Man werde mich zurückrufen. Und schon war ich auf immer und ewig bei Mozarts Kleiner Nachtmusik.

Wobei – zunächst muss ich mir wohl erst einmal schuldbewusst an die eigene Brust klopfen. Denn nach Meinung mancher Kommunikationsgurus zählt das Telefonieren längst als aggressiver Akt. Man drängt sich damit unangemeldet auf. Man will bevorzugt bedient werden, während die Alternativen E-Mail oder soziale Medien höflich warten. Bestimmt wird mich irgendwann ein unterbeschäftigter Anwalt wegen Körperverletzung verklagen, bloß weil ich seinen bescheuerten Klingelton versehentlich ausgelöst habe. Das nur nebenbei.

Am liebsten würde ich Susi kurz würgen - aber das wäre unhöflich

Dann gibt es noch die äußerst korrekte Sprechstundenhilfe: „Guten Tag, hier ist die internistische Gemeinschaftspraxis Doktor Helferlein. Sie sprechen mit Frau Susanne Nachtigall. Was kann ich für Sie tun?“ Auch wenn ich jetzt manchem, zum Zwanghaften neigenden Ausbildungscoach auf seinen grellbunten Schlips trete: Jedes mal möchte ich Susi bereits nach „Guten Tag“ unterbrechen, kurz würgen und sagen: „Hallo Mädel“ - so lange kennen wir uns schon - „bleib doch entspannt, was soll das Gesülze?“ Aber das wäre unhöflich, also lass ich es besser.

Und in unserer Praxis? Mathilde, meine Vorzimmer-Besatzung, würde sich aufwendige Begrüßungsrituale nie vorschreiben lassen. Telefonieren zählt schließlich zu ihrer Kernkompetenz. Mathilde meldet sich immer nur mit dem Praxisnamen. In ansteigender Tonlage. Damit jeder weiß, er soll nicht lange rumlabern. Sie ist ja keine Frühstücksdirektorin. Den Kaffee kocht schließlich bei uns der Chef selbst.

So, jetzt kann ich meine persönliche Erregungsskala doch etwas runterdimmen. Schließlich sind die meisten von uns ja schon an Telefon-Psychospielchen gewöhnt. Verglichen mit großen Hotlines wirken sie im Ranking der Nickligkeiten ohnehin amateurhaft. „Wählen sie die Eins, die Zwei, die Drei“. Wir kennen das alle. Ich habe dann mal die Vier gewählt. Daraufhin hörte ich „Please hold the line“ so lange, bis ich nach einer Viertelstunde auflegte. Das war letztes Jahr im Sommer. Vermutlich würde ich es heute noch hören, wenn ich der Aufforderung gefolgt wäre.

Ich erinnere mich an Zeiten, da gab es noch kein Display

Es will mir immer noch nicht aus dem Kopf gehen. Sie hatte meine Nummer nicht auf ihrem Display. Was sollte ich machen? Ich bin nicht Captain Kirk. Der sagte einfach: „Auf den Schirm damit!“, und telefonierte dann mit grausigen Wesen aus anderen Galaxien mit schleimigen Fangarmen und langen Nasen. Liebe Vorzimmerperle, die Du Deine Höhle samt Chef/in frauhaft vor mir beschütztest, ich erinnere mich an Zeiten, da gab es noch kein Display. Aber da warst Du noch nicht geboren.

Das soll jetzt, bitte, kein Vorwurf sein. Aber es steht auch nirgends geschrieben, dass ich Dir meine Telefonnummer geben muss. Kennst Du den Schlager von Peter Cornelius „Geh, gib ma dei Telefonnummer“? Das hat was Intimes an sich, das flüsterte man einmal im dunklen Hinterhof im Mondschein. Und nur damit Du es weißt: Ich will von Dir gar nicht zurückgerufen werden. Von Dir – nicht! So jetzt geht’s mir schon viel besser. Und ich verstehe endlich, warum sich mancher am liebsten mit einem Telefonkabel erhängen möchte.

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