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Terminvergabestellen – sag, wo die Patienten sind

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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Zentrale Terminvergabestellen sollen jedem Patienten einen Facharzttermin innerhalb von vier Wochen garantieren. Unser Kolumnist Dr. Robert Oberpeilsteiner hat im Kollegenkreis recherchiert, ob dieses Modell funktioniert.

Als ich mich zum ersten Mal mit „Terminvergabestellen für Fachärzte“ beschäftigte, fand ich dieses Thema äußerst dröge. In etwa so aufregend, als sollte ich ein Telefonbuch abtippen. Außerdem sagte ich mir, die Kollegen mit den höheren Weihen sind alt genug, um sich um ihre Probleme selbst zu kümmern. Doch je länger ich zögerte, umso lauter wurde ein solidarisches Bauchgrummeln. Ein Minister mischt sich bei uns ein, weil wir selbst zu blöd sein sollen, Termine zu organisieren!

Mein erster Gedanke war, auszuforschen, wie dieses noch jungfräuliche Modell denn so funktioniert. Mein zweiter, ich wollte mich kundig machen, wie die werten Kollegen mit der zu erwartenden Flut fremder Patienten, die ihnen die Terminsammelstellen vermutlich aufs Auge drücken würden, zurechtkämen. Mein erstes Telefonat galt einem befreundeten Internisten. Sogleich versicherte er mir, bei ihm bekomme jeder Patient einen Termin. Dabei hatte ich ihn danach gar nicht gefragt.

Es sollte sich herausstellen, dass ich diese Antwort bei jedem Anruf erhielt, ohne auch nur einmal die dazugehörige Frage gestellt zu haben. Offensichtlich besteht aufgrund der par ordre du mufti erzeugten Terminparanoia eine erhebliche Verunsicherung. Aber mehr noch scheint der Ärger zu überwiegen. „So ein bürokratischer Unsinn. Bei denen freut man sich offensichtlich, wenn zwei bis drei in der Woche vermittelt werden können. Das wird dann gleich ganz groß veröffentlicht.“ In seiner Gemeinschaftspraxis habe man jedenfalls noch nicht einen vermittelten Patienten gesehen.

Neben dem gemeinsamen Ärger war dies die nächste Konstante meiner (rein persönlichem Interesse folgenden) Telefonumfrage: Der vermittelte Patient! Ja, wo ist er denn geblieben? Kein Facharzt, den ich befragte, hat je einen gesehen.Der Kollege Augenarzt („Nein, bei mir war auch noch keiner“) hatte eine mögliche Erklärung parat: „Ich habe gelesen, dass Drei Viertel der vermittelten Patienten ihren Termin nicht wahrnehmen. Die gehen nicht hin, weil sie ihren Wunscharzt nicht bekommen.“ Nach Notfall hört sich das nicht gerade an.

Das Telefonat mit einem Onkologen brachte mich bei der Wahrheitsfindung auch nicht viel weiter. Denn einen Onkologen einfach so zu wechseln, dürfte wohl eher die Ausnahme sein. Unbekannte Patienten sieht der Kollege lediglich, wenn sie als Urlauber in unseren schönen Talkessel einfallen. „Dann kann es sein, dass einer wegen einer Koloskopie anruft, die er in dieser Zeit machen lassen möchte.“ Wellness-Urlaub auf die sehr spezielle Art? Dazu braucht aber keiner eine Terminsammelstelle.

Beim Orthopäden kam man erwarteterweise ruck-zuck zur Sache. „Absoluter Schwachsinn auf unsere Kosten!“ Auch er habe noch nie einen zentral vermittelten Patienten zu Gesicht bekommen. Also, der letzte Versuch: ein Kardiologe. Dem kam mein Anruf offenbar sehr zupass. „Ich wollte mich in dieser Sache eigentlich ohnehin schon bei der KV melden.“ (Nein, er hatte auch noch keinen Patienten vermittelt bekommen.) Zunächst erläutert er mir, wenn ein Kollege anrufe oder „Eilt!“ oder „Notfall!“ auf den Ü-Schein schreibt, so bekomme er sofort einen Termin. Diese Selektion sei notwendig, weil sie (Gemeinschaftspraxis) bei normalen Terminen mittlerweile Wartezeiten von zwei bis drei Monaten hätten. Man bemühe sich, sie so zügig wie möglich abzuarbeiten.

Ihn empörte vor allem, dass die bisherige gute Zusammenarbeit mit den Kollegen untereinander – die eigenen Netzwerke – überhaupt nicht gewürdigt werde. „Sie wird mit solchen Aktionen sogar unterlaufen. Aus reiner Stimmenhascherei, die unser Geld kostet.“Ich werde also weiter nach dem ersten vermittelten Patienten fahnden. Vielleicht sollte ich eine Annonce aufgeben: „Patient dringend gesucht, der bereit ist, unbekannten Arzt aufzusuchen!“. Aber nach meinen bisherigen Erfahrungen würde ich mir damit bei den werten Facharztkollegen keine echten Freunde machen. Die ich gesprochen habe hoffen alle, dass die ministerielle Sternschnuppe möglichst bald im bürokratischen Nebel verglüht. Gesehen hat sie bei uns ohnehin noch keiner.

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