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Therapeutisches Dreierbündnis gegen Angst

Autor: Cornelia Kolbeck, Foto: fotolia

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Ein kleines Programm kann Hausärzte unterstützen, Patienten mit Angststörungen wirksam zu behandeln. Arzt, Medizinische Fachangestellte und Patient bilden dabei ein therapeutisches Team.

Entwickelt wurde das Übungsprogramm, das speziell auf die Behandlung von Panikattacken und Agoraphobie fokussiert ist, am Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Jena in Kooperation mit Professor Dr. Jürgen Margraf von der Ruhr-Universität Bochum. "Es ist ausgerichtet auf das therapeutische Dreierbündnis Hausarzt, Medizinische Fachangestellte und Patient", erklärte Institutsleiter Pro-fessor Dr. Jochen Gensichen.

Praxismitarbeiterin ruft regelmäßig den Patienten an

Das Programm basiert auf einem strukturierten Behandlungsplan. Am Anfang steht das Arzt-Patienten-Gespräch; darin wird dem Erkrankten eine aktive Begleitung durch das Praxisteam angeboten. Sagt er zu, folgen konkrete Behandlungsschritte.

Nach der Aufklärung über Erkrankung und Therapie erlernt der Patient bestimmte Expositionsübungen. Das heißt: Er lernt angstauslösende Situationen nachzuempfinden – z.B. durch Hyperventilation, auf der Stelle rennen oder durch einen Strohhalm atmen –, um zu erleben, dass seine Angst wieder vorübergeht, ohne dass ihm etwas Schlimmes geschieht. Die Übungen wählt der Hausarzt individuell für den jeweiligen Patienten aus und führt sie ggf. auch vor.

Vier ärztliche Sitzungen mit dem Patienten (je 30 bis 45 Minuten) sind für einen Zeitraum von sechs Monaten vorgesehen. Zusätzlich ruft die Praxismitarbeiterin nach einem ersten persönlichen Gespräch (30 Minuten) etwa alle zwei Wochen beim Patienten an (je 10 bis 15 Minuten), um ihn nach seinen Übungen zu befragen und ihn zu motivieren. Die Mitarbeiterin erkennt anhand eines Ampelsystems, ob der Patient unauffällig ist oder ob der Arzt informiert werden sollte.

In einer sog. Behandlungsmappe sind neben der Verlaufsdokumentation auch Checklisten für die Gespräche und Telefonate zusammengefasst. Zudem gibt es ausführliche Arbeitsmaterialien für alle Beteiligten.

In der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten "Jena Paradies"-Studie haben die Wissenschaftler das Programm von August 2012 bis Februar 2015 getestet und im Vergleich mit einer "Usual-Care"-Kontrollgruppe dabei drei Messzeitpunkte betrachtet: vor der Behandlung sowie sechs Monate und zwölf Monate nach Abschluss der Behandlung.

Signifikant größere Effekte als in der Vergleichsgruppe

Die Effekte sind deutlich positiv, wie Dr. Thomas Hiller für die Study Group berichtete. Nach sechs Monaten erreichten die "Jena Paradies"-Patienten signifikant größere klinische Verbesserungen hinsichtlich der Schwere der Angstsymptomatik als die Patienten der Kontrollgruppe. Die Patienten waren im Vergleich nach zwölf Monaten weniger ängstlich, weniger depressiv und zufriedener. Verzeichnet wurden auch stärkere Rückgänge bei Verordnungen von Psychopharmaka, Antidepressiva und Benzodiazepinen sowie der Inanspruchnahme von Psychiatern und Psychotherapeuten als unter der hausärztlichen Standardtherapie.

419 Patienten aus 73 Hausarztpraxen aus dem Bundesgebiet nahmen in der Studie am verhaltenstherapeutischen Kurzprogramm teil. Alle Mediziner waren zuvor in Symptomatik, Diagnostik und evidenzbasierter Therapie bei Panikstörung mit/ohne Agoraphobie fortgebildet worden. Das Programm ist als ein Zusatzangebot in der Regelversorgung konzipiert worden.


Quelle: Veranstaltung von DEGAM und DGPPN "Der Angst entgegen, freier leben!"

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