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Transparenz auf dem Milchmädchenkonto

Autor: Prof. Dr. Klaus Dieter Kossow

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Pünktlich zum neuen Jahr soll das Versorgungsstrukturgesetz in Kraft treten. Es verspricht mehr Tranparenz im Gesundheitswesen. Was Prof. Dr. Klaus Dieter Kossow davon hält, erläutert er in seiner Kolumne.

Das Versorgungsstrukturgesetz, das am 1. Januar 2012 in Kraft treten soll, wird viele Paragrafen neu fassen. Mit Begründung ist es etwa 170 Seiten lang. Ein Anliegen des Gesetzgebers ist es, die Transparenz im Gesundheitswesen zu verbessern. Ob das mit dem Datenschutz vereinbar ist, wird man sorgfältig prüfen und ggf. vor dem Bundesverfassungsgericht klären müssen.


Abgeordnete der Regierungsfraktionen sind auf die Idee gekommen, die Krankenkassen zu verpflichten, dass sie ihren Versicherten im Internet mitteilen, was der Arzt für ihre Behandlung abgerechnet hat. Wie das im Einzelnen funktionieren soll, habe ich noch nicht herausgefunden. Sinnvoll wäre eine solche Transparenzmaßnahme, wenn man den Versicherten passwortgeschützt die exakten Leistungsdaten in Euro mitteilt. Möglich ist dies bei den Krankenhaus-Fallpauschalen und den Kosten des Krankentransports.

Im Internet mitteilen, was der Doktor abrechnet

Problematisch wird es bei Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln. Diese werden von den Krankenkassen nach Abzug von vertraglich vereinbarten, aber geheim gehaltenen Rabatten vergütet. Zudem werden die ärztlichen Verordnungen der Wirtschaftlichkeitskontrolle unterzogen. Diese dauert bis zum Abschluss der Regressverfahren oft mehrere Jahre.


Ärztliche Leistungen lassen sich wegen der mit Sozialrabatten verknüpften Vergütungssysteme kaum zutreffend darstellen. Allenfalls die wenigen Patienten, die nach § 13 SGB V Kostenerstattung gewählt haben, könnten im Internet zutreffende Angaben zur Höhe der Arztrechnungen vorfinden. Aber gerade für sie wäre diese Veröffentlichung sinnlos, weil sie von ihren Ärzten bereits eine Rechnung erhalten haben, die sie bei der Krankenkasse einreichen, um ca. 90 % des Rechnungsbetrags erstattet zu bekommen.

Leistungsvolumen des Arztes wird nicht vollständig erfasst

Die Mitteilung der Vergütung aus Direktverträgen, wie sie zwischen der AOK Baden-Württemberg und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft vereinbart wurde, ist ebenfalls sinnlos. Die Gebührenordnung passt auf einen Bierdeckel. Der Patient kann sich anhand der Zahl der Quartale und der Praxisausstattung seines Hausarztes selbst ausrechnen, was er pro Jahr gekostet hat.


Völlig unmöglich ist es, dass die Krankenkasse ihren Versicherten zutreffend mitteilt, was sie bei einer Versorgung im Rahmen eines KV-Kollektivvertrages gekostet haben. Im Kollektivvertrag zahlt die Kasse für den Versorgungszeitraum mit befreiender Wirkung eine Kopfpauschale für jeden ihrer Versicherten. So kommt ein Gesamthonorar zustande, das nach HVM verteilt wird. Der Vergütungsanspruch des einzelnen Arztes wird bestimmt durch das Regelleistungsvolumen zuzüglich einzelner Leistungen und Erstattungen, die unbegrenzt in Euro abgerechnet werden können.


Zwar kann man den Versicherten das RLV und die bezahlten Einzelleistungen mitteilen, wenn die KV den Krankenkassen diese Leistungen übermittelt. Eine korrekte Information über das Leistungsgeschehen ist damit aber nicht verbunden, weil das von den Ärzten erbrachte Leistungsvolumen nicht benannt werden kann. Es wird wegen einer Vielzahl intransparenter Leistungsausschlüsse nicht vollständig erfasst.

Desinteresse der Patienten an mehr Transparenz

Man sollte sich deshalb den Aufwand eines Versichertenkontos sparen – oder zuvor eine faire Vergütung der Ärzte einführen. Sinnvoll wäre die Transparenz des Versichertenkontos nämlich dann, wenn eine Kostenerstattung bei Arztrechnungen eingeführt würde, wenn die Krankenkassen die Höhe der Arzneimittelrabatte offenlegen würden und wenn alle pro Zeiteinheit von der Kasse getätigten Aufwendungen für ärztliche und Klinikbehandlung, Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, Reha, Krankentransport usw. nebeneinander dargestellt würden.


Es sind in den letzten Jahrzehnten immer wieder regionale Transparenzversuche unternommen worden. Versorgungsforscher, Krankenkassenmitarbeiter und Politiker hat das interessiert. Den Patienten war es wurscht. Nicht mal 1 % der Behandelten haben sich eine Kostenaufstellung geben lassen.

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