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Unlautere Werbung von Kassen: Plötzlich gibt es eine Heerschar von Testsiegern

Gesundheitspolitik Autor: Anke Thomas

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Krankenkassen buhlen um die Gunst neuer Kunden. Das bekommt die Wettbewerbszentrale zu spüren, die derzeit die Werbung von Kassen unter die Lupe nimmt. Denn auch die Krankenversicherungen unterliegen dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Erst kürzlich hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt (Urteil vom 3.10.2013, Az: C-59/12), dass sich auch das Werbeverhalten von Kassen an den Regeln des UWG messen lassen muss. Hintergrund war der Fall einer BKK, die mit folgender Aussage im Internet geworben hatte:


„Wer die BKK jetzt verlässt, bindet sich an die neue für die nächsten 18 Monate. Somit entgehen Ihnen attraktive Angebote, die Ihnen die BKK im nächsten Jahr bietet, und Sie müssen am Ende möglicherweise draufzahlen, wenn Ihre neue Kasse mit dem ihr zugeteilten Geld nicht auskommt und deswegen einen Zusatzbeitrag erhebt.“


Weil die BKK in der Werbung verschwieg, dass Versicherten im Fall der Erhebung eines Zusatzbeitrags ein Sonderkündigungsrecht zusteht, beanstandete die Wettbewerbszentrale die Werbung als irreführend. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Auffassung, so Anwältin Köber auf dem 4. Bad Homburger Gesundheitsrechtstag, und die Kasse änderte die Aussage.


Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wollte die BKK jedoch nicht abgeben, schließlich handele sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht mit einer Gewinnerzielungsabsicht.

Europäischer Gerichtshof setzt Krankenkassen Grenzen

Dieser Begründung folgte der EuGH jedoch nicht, der diese Frage im Anschluss an das Urteil des Bundesgerichtshofs klären musste. Der EuGH betonte, dass die Verbraucher durch die Werbeaussage der BKK davon abgehalten werden, eine informierte Wahl zu treffen. Dabei sei es auch unerheblich, ob es sich um eine Körperschaft öffentlichen Rechts handele.


„Beste Krankenkasse“, „Testsieger“ oder „Top-Platzierung“ sind ebenfalls gern benutzte Werbemittel der Kassen, die die Wettbewerbshüter neuerdings vermehrt beschäftigen. Denn die Gütesiegel stellen für die Versicherten ein wichtiges Instrument dar, um sich für einen Dienstleister zu entscheiden. Und nicht immer steckt in den Botschaften das drin, was suggeriert wird.


So hatte eine Kasse mit einer „Top-10-Platzierung“ von 50 getesteten Krankenkassen geworben. Allerdings hatte die Kasse keine aussagekräftige Fundstelle angegeben und die komplette Studie war nur zu einem Preis von 900 Euro zu haben. Die Richter entschieden: So geht’s nicht. Die detaillierten Testergebnisse müssen Verbrauchern leicht und deutlich zugänglich sein (z.B. per Link).


In zwei weiteren Urteilen wurde dies von anderen Gerichten bestätigt: Eine Kasse verschickte per Werbeschreiben die Botschaft, dass sie in einem bundesweiten Vergleich zum Testsieger von Stiftung Warentest gekürt worden sei. Dieser Werbung schob das Landgericht Dresden wegen der fehlenden Fundstelle einen Riegel vor.


Ähnliches gilt für TÜV-Siegel: Eine Kasse hatte mit einem Siegel TÜV Thüringen „geprüfte Servicequalität – sehr gut“, eine andere mit einem Siegel TÜV Saarland „Service tested – Kundenurteil gut (1,8)“ geworben. Auch hier mahnten die Richter die fehlenden Fundstellen an. Ein „FOCUS-Money“-Siegel „Hohe Beitragssatzstabilität“ wurde vom Landgericht Koblenz moniert, weil die Fundstelle in sehr kleiner Schriftgröße abgedruckt war.

„Testsieger“ bei 24 von 100 Punkten?

Ebenso dürfen Krankenkassen nicht einfach mit Teilbereichen werben, wenn es sich lediglich um einen „Spartensieg“ handelt. So wurde einer Kasse die Behauptung „Beste Kasse“ untersagt, da das Unternehmen die Information unterschlagen hatte, dass es nur in einem von drei Prüfkriterien am bes­ten abgeschnitten hatte.


Einer anderen Kasse wurde verboten, mit dem Button „Testsieger“ zu werben. Die Zeitschrift „Guter Rat“ hatte dabei auf spezielle Angebote für Berufsanfänger getestet, der „wahre“ Testsieger hatte 28 Punkte (von rund 100 Punkten) erreicht, die betroffene Kasse folgte mit 24 Punkten auf Platz 3. Unter einem Testsieger erwarten Verbraucher aber nicht eine Kasse, die „nur“ den dritten Platz erreicht hat, urteilte das Hamburger Landgericht. 


Die vorgestellten Beispiele machen deutlich: Kassen stehen im Wettbewerb und greifen hier mitunter zu unlauteren Mitteln. Sie müssen sich jedoch auch als Körperschaften des öffentlichen Rechts an die Wettbewerbsgesetze halten, so Anwältin Köber.


Quelle: 4. Bad Homburger Gesundheitsrechtstag, Bad Homburg, 2013

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