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Unsere Prostata und andere Wellen ...

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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Schwangerer Mann und Frau mit Vorsteherdrüse, ja sogar ein infektiöser Diabetes: Unser Kolumnist Dr. Robert Oberpeilsteiner kann sich vor Skurrilitäten nicht retten. Warum, weil mal wieder so seltsame Wellen durch die Praxis wabern.

Im Sprechzimmer liegt etwas in der Luft. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum es in diesem Raum zu so unglaublichen Gesprächen kommt. Gespräche, die es nur hier und sonst nirgendwo gibt.

Vielleicht ist etwas Ähnliches wie Elektrosmog der Grund. Kürzlich sah ich eine Sendung über Elektrosmog. Wenn ich alles richtig verstanden habe, so handelt es sich dabei um Strahlungen von denen die Wissenschaft vermutet, dass sie möglicherweise Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben.

Genau diesen Verdacht habe ich auch vom Binnenklima im Sprechzimmer. Es liegt etwas in der Luft. Wie sonst wären geheimnisvolle Übertragungen möglich, die wissenschaftlich nicht nachvollziehbar sind.

So, zum Beispiel, kann es vorkommen, wenn der Gatte etwa sagt: „Meine Frau hat Schmerzen im Knie“, dass, wenn Sie geduldig warten, hinzugefügt wird: „...und auch ich spüre meinen Meniskus.“ Das Klima im Sprechzimmer scheint ein hoch infektiöses zu sein. Meniskusverletzungen werden ansteckend.Diabetes und Hypertonie ebenso.

»Bald sitzt der erste schwangere Mann vor mir«

Ohnehin, je chronischer ein Leiden, desto gefährlicher für den Anderen. Die Dauer einer Krankheit ist proportional zum Ansteckungsrisiko. Man fährt schließlich zusammen zum Röntgen, lässt sich beim Kardiologen einen Termin wegen doppelten Herzstechens und beim Augenarzt wegen gemeinsamer Sehschwäche geben.Ich warte immer noch auf den ersten männlichen Schwangeren, mit seiner Frau daneben, beide im siebten Monat.

Kürzlich saß ein lange verheiratetes Ehepaar, beide so Mitte sechzig, bei mir in der Sprechstunde. Der Mann sieht etwas bedrückt zu Boden. Er ist es gewohnt, zu schweigen. Die Frau ist es gewohnt, zu sagen, was Sache ist. „Wir waren beim Urologen“, beginnt sie. „Nächste Woche müssen wir uns die Prostata raus machen lassen.“ Der Mann nickt dazu. „Dann müssen wir die Chemo noch hinter uns bringen“, fährt die Gattin fort, „und dann gehen wir auf Reha.“

Der Mann ist überhaupt nicht glücklich. Die Frau übrigens auch nicht. Schließlich ist es nicht schön, wenn sie keine Pro­stata mehr haben. Wobei bei diesem Beispiel wenigstens die Sachlage eindeutig ist. Klar, die Prostata ist allein männliche Angelegenheit. Frau hin oder her.

Doch mir scheint mittlerweile, in einer ganz normalen Sprechstunde ist alles möglich. Auch das Unmögliche. Es kommt immer wieder zu Situationen, die nur in dieser ökologischen Nische denkbar sind. So führen sich bevorzugt altgediente Ehemänner, aber auch Söhne, Töchter und Elternteile mit dem Satz in die Sprechstunde ein: Herr Doktor, ich wollte eigentlich gar nicht kommen, aber meine Frau, Mutter usw. hat gesagt, ich müsste unbedingt zum Arzt gehen.

»Selbst der Diabetes wird zur Infektionskrankheit«

Stellen Sie sich jetzt bitte dieses Gebaren außerhalb des Sprechstundenbereiches vor. Also im ganz normalen Geschäftsleben. Sie gehen in ein Kaufhaus und sagen zum Verkäufer: „Ich will mir eigentlich keine neue Hose kaufen, aber mein Bruder hat mich geschickt.“ Oder sie führen Ihren neuen Aufriss zum ersten Mal aus, sehen ihm tief in die Augen und sagen: „Ich habe keine Lust gehabt, aber meine Mutter hat unbedingt gemeint, ich soll Sie heute Abend ausführen!“

Spätestens, wenn Sie Ihren Handy-Vertrag beim Provider mit der Begründung kündigen: „Ich wollte eigentlich noch bei Ihnen bleiben, aber meine Partnerin hat gesagt, ich sollte mich von Ihnen trennen“, wird es kritisch. Denn jetzt laufen Sie Gefahr, dass man Sie zum Arzt schleppt. In die Sprechstunde.

Doch da können Sie endlich sagen, was Sie wollen. Ohne aufzufallen. Hier ist so etwas total normal. Da liegen unglaubliche Gespräche, quasi beim Türöffnen, schon in der Luft.

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