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Unsinnsrezept erpressen? Da mach ich nicht mit!

Autor: Dr. Frauke Höllering

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Ich lasse mich nicht von Patienten zu irgendwelchen Verordnungen erpressen! MT-Kolumnistin Dr. Frauke Höllering verrät, wie sie überzogenen und manchmal auch frechen Begehrlichkeiten begegnet.

Hin und wieder liegt ein Rezept zum Unterschreiben an der Rezeption, das mich ahnen lässt: „Jetzt kommt Ärger auf dich zu!“ Und nun war es wieder einmal soweit.


Eine Patientin, die recht neu in unserer Doppelpraxis ist, hatte sich zwei teure Präparate gegen ihr Asthma aufschreiben lassen. Ich wusste von früheren Untersuchungen, dass ihre Lungenfunktion fast immer normal war. Doch vor vielen Jahren hatte ihr behandelnder Arzt während einer Exazerbation alles verordnet, was die Rote Liste hergab. Damals gewiss zu Recht … Aber nun war daraus nach Meinung der Patientin ein Gewohnheitsrecht entstanden.

Teure Asthmamedikamente, aber nicht mit dem Rauchen aufhören

Natürlich hatte sie es längst aufgegeben, sich selbst in die Praxis zu bemühen. Ihr freundlicher Mann wurde stets ausgesandt, das Gewünschte zu holen. Nachdem wir zuerst friedliebend die gewohnte Medikation beibehalten hatten, ritt mich diesmal der Teufel: „Wenn der Mann kommt, um das Rezept zu holen, möchte ich ihn bitte kurz sprechen!“, instruierte ich meine Rezeptionistin. Die legte auf eine ganz bestimmte Art den Kopf zur Seite und schaute mich mit echtem Dackelblick an: „Haben Sie sich das genau überlegt?“, fragte sie schließlich leise und nahm mein „Ja“ mit schwer erkämpfter Gelassenheit zur Kenntnis.


Als der Ehemann auftauchte, nahm ich ihn kurz mit ins Sprechzimmer. Ich bat ihn, seiner Frau auszurichten, dass der jährliche Lungenfunktionstest fällig sei. Wenn die Werte so gut wie beim letzten Mal wären, könnte man auf eines der Medikamente probatorisch verzichten; das käme ihr sicher auch entgegen, weil sie dann weniger Nebenwirkungen fürchten und weniger zuzahlen müsse. Er versprach, all das weiterzugeben, und verabschiedete sich freundlich.


Kaum eine Stunde später unterbrach mich das Klingeln meines Telefons mitten in einer Untersuchung. Das heißt „Notfall!“ und darum nahm ich ab. „Ich bin jetzt genug angebrüllt worden“, sagte meine Rezeptionistin, „würden Sie bitte übernehmen?“

Gegen Schimpfen habe ich eine Firewall im Gehirn

Ich opferte mich natürlich und wurde fast taub: „Ich bin es so leid!“, brüllte mich die Patientin mit dem Asthma an. (Ach … Wer so brüllen kann, hat wirklich ordentlich Luft!) „Immer, wenn ich an Sie gerate, machen Sie mir nur Ärger. Jedes Mal gibt es Theater mit meiner Medizin, und das lasse ich mir nicht mehr bieten.“


Der Rest der Schimpfkanonade verschwand in der schnell aufgebauten Firewall meines Gehirns. Leider konnte ich mein Ohr nicht schützen; hätte ich den Hörer davon fern gehalten, hätte mein friedlich wartender Patient alles haarklein mitbekommen.


Am Ende der Litanei erahnte ich, dass ich unverschämt bin, weil ich Rezeptwünsche nicht willenlos erfülle. Dass es eine Belästigung darstelle, wenn ich Therapien hin und wieder auf den Prüfstand stelle, und dass ich meinen Beruf verfehlt habe, wenn ich nicht folgsam alles das erledige, was die Patientin wünscht.


Nachdem ich dieses alles verarbeitet hatte – dank jahrelangen Trainings dauerte das keine Minute lang –, konnte ich mich wieder vollen Herzens meinem Patienten widmen.

Wenn die Frau nie wieder auftaucht, freuen sich alle

Ich war, so seltsam das klingt, ein kleines bisschen glücklich darüber, dass ich mir diesen Krach leisten konnte. Wenn diese Frau nie wieder auftaucht, wird ihr Verschwinden unter „Praxishygiene“ verbucht, und meine Mitarbeiterinnen freuen sich mit mir. Unsere vielen Patientinnen und Patienten, die fröhlich, höflich und verständnisvoll sind, müssen sich keine arroganten Auftritte am Empfang mehr ansehen und ich kann weiterhin „Medizin machen“, wie sie meinen Qualitätsvorschriften entspricht.


„Gut, dass sie wahrscheinlich nie wieder kommt!“, sagte ich später lächelnd zu meiner Mitarbeiterin. „Hätte ich beim nächsten Zusammentreffen erneut gefordert, dass sie nun endlich das Rauchen aufgibt, hätte sie mich wahrscheinlich spontan mit ihrem Schirm aufgespießt!“ Mit einem Satz heißer Ohren bin ich da doch wirklich gut weggekommen.

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