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Verdacht, Kontrolle, Strafe: Und was macht die KV?

Autor: Dr. Günther Gerhardt

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Unser Kolumnist Dr. Günter Gerhardt über das Misstrauen von Kassen und Politik gegenüber der Ärzteschaft, das neue Anti-Korruptionsgesetz und eine unfähige KBV.

Der 118. Deutsche Ärztetag und die im Vorfeld stattgefundene Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sind Vergangenheit. Der Vorstand der Bundes­ärztekammer, an der Spitze der alte und neue Kammerpräsident Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery, zeigte Geschlossenheit, zelebrierte eine gute Gesprächs­atmosphäre, ohne nicht auch mit deutlicher Kritik („Humbug“) Inhalte des Versorgungsstärkungsgesetzes abzulehnen.

Der Vorstand der KBV hingegen zeigt alles andere als Geschlossenheit. Hier passt besser das Wort Zerwürfnis. Die VV wurde dominiert von der Kritik am Vorsitzenden Dr. Andreas Gassen. Bringen wir es auf den Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Dieser für uns Niedergelassene so wichtige KBV-Vorstand ist politisch gelähmt. Und das vor dem Hintergrund einer Flut an neuen Gesetzen, die das Spektrum an Prüforgien erheblich vergrößern wird.

Der für uns Niedergelassene so wichtige KBV-Vorstand ist politisch gelähmt!

Ich versuche mal zusammenzufassen, was dann so alles geprüft wird: Abrechnung, Arznei- und Heilmittelverschreibungen, Krankenhauseinweisungen, Kranken­transporte, AU-Bescheinigungen, das Überweisungsverhalten und die Plausibilität. Als ob die derzeitigen Anlässe für Prüfungen nicht ausreichen würden. Nein, es reicht noch lange nicht, Ärztinnen und Ärzte können nicht nur Schmerzen lindern, sondern noch besser Schmerzen masochistisch ertragen.

Und wehren können wir uns allemal nicht, auch dank eines immer tieferen Risses zwischen Haus-, Fachärzten und „Spezialfachärzten“. Was wir jetzt bräuchten, aber nicht haben, ist ein Vorstand, der unsere Interessen vertritt und eine Schutzfunktion zugunsten seiner Mitglieder wahrnimmt. Aber, werden Sie sagen, wir haben ja noch unseren Landes-KV-Vorstand, da gibt es so etwas nicht. Die vertreten zu 100 % unsere Interessen. Doch sind Sie sich da sicher?

Und Obacht: Unsere Leidensfähigkeit wird noch weiter strapaziert, beispielsweise mit einem Anti-Korruptionsgesetz. Ich zitiere: "Heilberufler mit einer staatlich geregelten Ausbildung, die im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufes einen Vorteil für sich oder Dritte fordern, versprechen lassen oder annehmen, ... können mit bis zu drei Jahren (in schweren Fällen fünf Jahren) Freiheitsstrafe oder Geldstrafe sanktioniert werden. Dasselbe gilt für diejenigen, die dem Heilberufler dementsprechend Vorteile anbieten oder gewähren."

Die offene Formulierung im Korruptionsgesetz öffnen Tür und Tor für ambitionierte, aber uninformierte Staatsanwaltschaften.

Ich sehe Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon grübelnd dasitzen und überlegen, was da wohl infrage kommen könnte. Kritisch ist auf jeden Fall ein Vorteil, der als nicht mehr sozialadäquat gilt (was immer das genau bedeutet), also der den Eindruck erweckt, dass er die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflussen wird.

Viele Akteure im Gesundheitswesen haben sich dazu schon zu Wort gemeldet. Dr. Werner Baumgärtner, der Chef von Medi Geno, meint, besonders betroffen wären die Kooperations- und Einkaufsgemeinschaften der Ärztegenossenschaften, deren Geschäftsgebaren per se kriminalisiert würden. Wo verläuft hier die Grenze zwischen legaler Koopera­tion und unzulässiger Vorteilsnahme? Die KBV fordert Klarheit bei der Trennung unerwünschter Formen der Zusammenarbeit von solchen, die gewünscht und sogar förderungswürdig sind.

Kann man in Anbetracht dieses Szenarios unserem Nachwuchs überhaupt noch die Praxistätigkeit empfehlen?

Reichen denn die Selbstkontrolle, die Regulierungen der Kammern, deren Aufgabe es ist, schwarze Schafe aufzudecken, nicht aus? Dazu ein Oberstaatsanwalt: „In dem Maße, in dem man der Selbstkontrolle der Branche mit Misstrauen begegnet, sieht man eine Kontrolle durch das Strafrecht uneingeschränkt positiv.“ Können Sie sich auch nur im Ansatz vorstellen, was da auf uns zukommen könnte? Der Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbandes der Fachärzte sagt dazu: „Die reichlich unspezifischen Formulierungen im Gesetzentwurf öffnen Tür und Tor für Denunzianten und ambitionierte, aber uninformierte Staatsanwaltschaften.“ Wie recht er hat!

Tür und Tor werden auch für die Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen geöffnet. Sie werden verpflichtet, regelmäßig gemeinsame Tagungen zu organisieren. Dort soll ein verstärkter Austausch über das Fehlverhalten im Gesundheitswesen stattfinden. Die Ergebnisse müssen an die Aufsichtsbehörden weitergeleitet werden. Die KVen könnten aber auch die Chance ergreifen und gerade wegen der zunehmenden gesetzlichen Reglementierungen der vertragsärztlichen Tätigkeit ihre Dienstleis­tungsfunktion wahrnehmen, wozu sie eigentlich verpflichtet sind. Kann man in Anbetracht dieses Szenarios unserem ärztlichen Nachwuchs überhaupt noch die ambulante Praxistätigkeit empfehlen?

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