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Verfassungsrechtlich bedenklich: Geplante Regelung zur Parität

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Die Absicht der Großen Koalition, die Parität von Haus- und Fachärzten in den KV-Vertreterversammlungen durch eine hälftige Stimmengewichtung herzustellen, hält Rechtsanwalt und Arzt Professor Dr. Dr. Alexander P. F. Ehlers für "verfassungsrechtlich bedenklich".

Im Referentenentwurf zum Versorgungsstärkungsgesetz geht das Bundesgesundheitsministerium bezüglich der Stärkung der Hausärzte in der Selbstverwaltung über die Formulierungen des Koalitionsvertrags hinaus.

Nicht nur, dass in den KV-Vertreterversammlungen künftig die Delegierten der Hausärzte allein über jene Belange abstimmen, die ausschließlich die hausärztliche Versorgung betreffen, und die Fachärzte über die rein fachärztlichen Angelegenheiten. Nein, ein neuer § 79 Abs. 3a SGB V soll vorgeben: "Bei gemeinsamen Abstimmungen sind die Stimmen so zu gewichten, dass insgesamt eine Parität der Stimmen zwischen Vertretern der Hausärzte und Vertretern der Fachärzte in der Vertreterversammlung besteht."

Fifty-fifty ist Verstoß gegen die Wahlrechtsgleichheit

Mit dieser 50:50-Regelung geht die Regierung zu weit, meint Prof. Ehlers, profunder Kenner des Arztrechts und international engagierter Politikberater. Denn es ist nun mal so, dass es mehr niedergelassene Fachärzte als Hausärzte gibt.

Folglich sitzen in den KV-Vertreterversammlungen in der Regel deutlich mehr gewählte Fach- als Hausärzte. Diese mögliche oder tatsächliche Dominanz bei Entscheidungen wird vom Hausärzteverband seit Jahren als Benachteiligung kritisiert.

Sollte das Gesetz Mitte bis Ende 2015 in Kraft treten und die Paritätsregelung dann wie vorgesehen nach vier Monaten in KV-Satzungsrecht umgesetzt worden sein, würde das allerdings die bis Ende 2016 laufende Wahlperiode beeinflussen. Die KV-Wahlergebnisse würden ausgehebelt, indem ein hausärztlicher Delegierter plötzlich mehr Stimmkraft in der VV erhält als ein fachärztlicher.

Dieses zeitliche Manko ("Rückwirkungsverbot") könnte mit einer Übergangsregelung noch behoben werden, meint Prof. Ehlers. Das grundsätzliche Problem bestehe aber darin, dass der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit erfordere, dass jede Stimme den gleichen Zähl- und Erfolgswert habe ("one man, one vote").

Es bedürfe "zwingender Gründe des Allgemeinwohls", um gesetzgeberisch das Wahlrecht beispielsweise durch Mehrheits- oder Verhältniswahlrecht einzuschränken. Das ist z.B. bei der 5-%-Klausel für Bundes- und Landtagswahlen aus historischer Erfahrung der Fall.

"Verstoß gegen die Wahlrechtsgleichheit"

Durch die geplante Stimmenparität in der Körperschaft werde jedoch den in geringerer Zahl repräsentierten Allgemeinmedizinern ein höheres Gewicht beigemessen als den Fachärzten. Das stelle einen "Verstoß gegen die Wahlrechtsgleichheit" und damit einen Verfassungsverstoß dar, argumentiert Prof. Ehlers. "Zwingende Gründe des Allgemeinwohls", die eine Einschränkung der Wahlrechtsgleichheit begründen könnten, mag der Jurist nicht erkennen.

Seine politische Einschätzung ist: Mit dieser Regelung, die die Fachärzte wohl schwerlich akzeptieren können, gerät ein Spaltpilz ins KV-System, der einen Bruch zur Folge haben könnte. Doch wem wäre mit einer KV für Hausärzte, einer KV für Fachärzte und vielleicht noch einer für Psychotherapeuten geholfen? Dem GKV-Spitzenverband?

Über die geplante Regelung wird noch viel diskutiert werden. Sollte sie Gesetz werden – und die GroKo wird sich wohl kaum deswegen in die Haare geraten –, sind anschließende juristische Auseinandersetzungen so sicher wie das Amen in der Kirche.

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