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Versorgungsengpässen bei Grippevakzine: Wem und warum fehlt Impfstoff?

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die Nachfrage nach Grippeschutzimpfungen setzte dieses Mal früh ein. Die Nachfrage nach Grippeschutzimpfungen setzte dieses Mal früh ein. © iStock.com/fstop123
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Mancherorts wird der Grippeimpfstoff knapp. Über die Gründe lässt sich spekulieren. Von einem Verteilungsproblem ist die Rede.

Aus Niedersachsen, Bremen, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Saarland wurden Engpässe bei Grippeimpfstoffen gemeldet. Als „Lieferengpass“ stuft das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die Defizite jedoch nicht ein. Denn in diesem Jahr wurden mehr Dosen abgegeben als im Vergleichszeitraum 2017. Die 15,7 Mio. Einheiten sind eine Million mehr, als im vergangenen Jahr insgesamt an Patienten verabreicht wurde. Vermutet wird eher ein Verteilungsproblem. Über ein Meldesystem auf seiner Webseite (bit.ly/2QYI0pc) will das PEI jetzt den Engpässen auf den Grund gehen.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hält verschiedene Ursachen für möglich:

  • Direktverträge zwischen Krankenkassen und Apothekern
  • Überbevorratung von Impfstoffen in mancher Praxis und Apotheke
  • Verspätete Bestellungen durch Apotheker und Ärzte
  • Höhere Nachfrage aufgrund der letzten, schwer verlaufenen Grippesaison

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat offiziell den „Versorgungsmangel“ bekannt gegeben. Das ermöglicht es den Behörden der Bundesländer, zu regeln, dass im Einzelfall Grippeimpfstoffe, die nicht in Deutschland zugelassen sind, befristet in Verkehr gebracht oder importiert werden dürfen. Darüber hinaus können die Behörden ein Abweichen von arzneimittelrechtlichen Genehmigungserfordernissen oder Verboten befristet erlauben. Das betrifft z.B. die Abgabe von Grippeimpfstoffen zwischen Apotheken ohne Großhandelserlaubnis, zwischen Arztpraxen und von Teilmengen wie 10er-Packungen durch Gesundheitsämter.

Nur „vermeintlich clevere Vertragskonstruktionen“

Das BMG erinnert daran, dass mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz Rabattverträge zu Impfstoffen verboten wurden. Für die Grippe-Saison 2018/2019 hätten aber einige Krankenkassen, Apotheken und KVen alternative Modelle umgesetzt, z.B. Open-House-Verträge. Dies führe zu regional unterschiedlichen Vereinbarungen in der Grippeimpfstoffversorgung.

„Das Versorgungsproblem war voraussehbar“, meint Dr. Martin Zentgraf, Vorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie. Statt „mit Notstandsgesetzen auf hausgemachte Versorgungsprobleme zu reagieren“, solle die Politik die Marktbedingungen so gestalten, dass die Impfstoffe aller Hersteller zur Verfügung stünden. „So lange es aber selbst bei einem Verbot von Rabattausschreibungen möglich ist, mit vermeintlich cleveren Vertragskonstruktionen eine Situation herzustellen, die der von Rabattverträgen entspricht, ist die Impfstoffversorgung gefährdet.“

Haben die Hersteller die Nachfrage falsch kalkuliert? Der Bremer Pharmaexperte Professor Dr. Gerd Glaeske sieht die Schuld dagegen bei den Herstellern. Sie sollten ihre Marketingabteilungen ins Gebet nehmen, denn diese hätten die Nachfrage „offenbar ziemlich falsch eingeschätzt“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Das Online-Portal „DocCheck“ erinnert daran, dass die Ständige Impfkommission seit November 2017 die trivalenten Vakzine präferiert, sich der Gemeinsame Bundesausschuss aber erst im April 2018 zur GKV-Erstattung äußerte. Diese Unsicherheit habe möglicherweise zu weniger Impfstoff-Vorbestellungen der Health Professionals geführt. Die Firmen planten anhand dieser Informationen ihre Produktion.

Das BMG geht davon aus, dass die im Terminservice-Gesetz vorgesehenen Regelungen zu Hersteller­abschlägen sowie zur Preisbildung und Erstattung von Impfstoffen für die Grippesaison 2019/20 einen verlässlichen Rahmen für eine sichere Versorgung schaffen werden. 

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