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vfa und Ärzte diskutierten über die Offenlegung von Zuwendungen

Autor: Michael Reischmann, Fotos: Hans-Jürgen Wiedl

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2016 beginnt die „heiße Phase“ der Transparenzinitiative: Die forschenden Pharmaunternehmen wollen ab 2016 im Sinne von mehr Transparenz für die Patienten ihre Zuwendungen an die Fachkreise offenlegen. Es ist ein Vorstoß, den Ärzte kontrovers diskutieren. Der vfa sieht jedoch eine gemeinsame Aufgabe.

Seit nunmehr elf Jahren gibt es die Kodizes der forschenden Pharmaunternehmen zum Umgang mit Fachkreisen und Patientenorganisationen. Mit dem Transparenzkodex gehen die Hersteller noch einen Schritt weiter. 2016 werden sie ihre Zuwendungen an Ärzte im Internet veröffentlichen.

Die Eckpunkte des Transparenzkodexes

Der Transparenzkodex gilt für alle Mitgliedsunternehmen des FSA. Sie dokumentieren
künftig alle Geldleistungen an Ärzte in den Bereichen Forschung, Fortbildung, Spenden und Sponsoring. Stimmt der Arzt zu, wird individuell ausgewiesen, stimmt der Arzt nicht zu, weisen die Firmen aus, wie viel sie insgesamt in den genannten Bereichen für die Zusammenarbeit mit Ärzten ausgeben.
Mehr Infos unter: www.pharma-transparenz.de und www.vfa.de/transparenz

„Wir wollen damit die Kooperation mit der Ärzteschaft nachvollziehbar machen für die Patienten und Patientinnen“, erklärte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa), bei einem Rundtischgespräch in Berlin. Eingeladen hatten vfa und Medical Tribune.

Offen und ungezwungen die Zusammenarbeit darstellen

Birgit Fischer verwies darauf, dass die Öffentlichkeit sehr kritisch bezüglich der Zusammenarbeit von Pharmaindustrie und Ärzteschaft eingestellt ist und beide Seiten deshalb sehr gut daran tun, offen die Kooperation darzustellen. Es sei „ein Lernprozess“.

Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des vfaDie vfa-Chefin geht davon aus, dass die Veröffentlichung die gesamte Spannbreite an Reaktionenmit sich bringen wird: von Hetzkampagnen
und Beschimpfungen bis hin zur festen Verteidigung, dass die Zusammenarbeit dringend nötig ist. „Es liegt nun an uns, also an der Ärzteschaft und der Industrie, wie wir argumentieren, wie wir die Ziele unserer Kooperation und die
Hintergründe vertreten. Wir haben es somit ein Stück weit in der Hand, wie die weitere Diskussion verläuft.“

Den Ärzten ist durchaus bewusst, dass sie in Zeiten digitaler Kommunikation in Internet und Social Media transparenter werden müssen. „Was wir wirklich tun, bei der Arbeit, und was wir in der Tradition der Forschung leisten, das findet derzeit in den sozialen Medien oft mit einem gewissen Beigeschmack statt“, sagte Dr. Jan-Peter Jansen, Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin. „Wir müssen deshalb dem Patienten die Entscheidung erleichtern, sich seriös zu informieren“, unterstrich Dr. Jansen.

„Transparenz ist gut, aber wollen wir den gläsernen Doktor?“, fragte der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. Thomas Schultz in die Runde.

Die Ärzte sollten das Zepter in die Hand zu nehmen

Dr. Jan-Peter Jansen„Die Pharmaindustrie prescht mit dem Thema seit 2004 vor. Das heißt doch, wir als Ärzte haben seitdem geschlafen“, führte Dr. Jansen aus. Seiner Meinung nach wären die Ärzte gut beraten, „das Zepter in die Hand zu nehmen, auch hinsichtlich eines einheitlichen Wortlauts, den man sich ins Wartezimmer hängen kann“. Ärzte könnten dann gegenüber Patienten – aber auch gegenüber Journalisten – zeigen: Hier ist mein Kodex und an den halte ich mich.

Gegen eine Veröffentlichung seiner Zuwendungen hat der Leiter des ambulanten Schmerzzentrums Berlin nichts.

Dr. Schultz, der jährlich zahlreiche Referate hält, hat dagegen Bedenken. Er findet nicht gut, dass bei den Veröffentlichungen zwischen Honoraren und jenen Zuwendungen, auf deren Höhe er keinen Einfl usshat, nicht getrennt wird. „Das Hotel habe ich mir nicht ausgesucht, aber es wird mir auf meine Rechnung geschrieben und zum Schluss steht dann hier, ich habe so und so viele Zuwendungen bekommen.“

„Wir wissen nicht genau, wie der Patient reagiert, aber wir sind auf das Vertrauen der Patienten angewiesen“, betont Dr. Schultz. Dieses Vertrauen könne schnell schwinden, Neid und Misstrauen entstünden – mit wirtschaftlichen Auswirkungen.

„Es fehlt auf beiden Seiten – bei Ärzten und Industrie – das Selbstverständnis, dass wir aus guten Gründen zusammenarbeiten“, sagte Dr. jur. Holger Diener, Geschäftsführer des für die Umsetzung des Transparenzkodex zuständigen Vereins zur Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA).

Beide Seiten sollten – unabhängig von der Veröffentlichung im nächsten Jahr – dieses Selbstverständnis stärken und nach außen tragen, empfahl der Jurist.  „Ich hätte mir gewünscht, wir hätten schon die Spielregeln gemeinsam entwickelt“, sagte Birgit Fischer.

Der Transparenzkodex ist etwas grundsätzlich Neues

Auf die Nachfrage, wie der Erfolg des Transparenzkodexes einzuschätzen ist, wenn nicht alle Ärzte ihre Daten preisgeben, erklärte Dr. Diener: „Ein Erfolg lässt sich nicht an Zahlen messen.“ Es sei etwas grundsätzlich Neues. Eine Transparenzkultur wie in Norwegen oder Schweden, wo man beim Finanzamt die Steuer erklärung des Nachbarn einsehen kann, gebe es in Deutschland nicht.

„Wir gehen mit der Transparenzinitiative bewusst einen sehr großen Schritt, wohl wissend, dass es nicht einfach werden wird“, so Dr. Diener. Es sei auch ein Prozess, der nicht mit der ersten Veröffentlichung aufhöre. 1970 habe man im Fernsehen bei Talkrunden noch geraucht, das sei heute unvorstellbar. „Und so ist es hier auch. In zehn Jahren werden wir sagen, der Start war nicht einfach, aber es war der richtige Schritt.“

Dr. Holger Diener, Geschäftsführer Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.Birgit Fischer ergänzte, dass auch der Physicians Sunshine Act, der mit der Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama eingeführt wurde, eine Blaupause für die Transparenzbemühungen war. In den USA habe es fünf Jahre gedauert, um diese zu etablieren. „Es bestand nun die Frage, ob wir in Deutschland auf ein solches Gesetz warten sollen, um unsere Zuwendungen transparent zu machen. Schließlich sind die Pharmaunternehmen mit dem Transparenzkodex vorangegangen“, so die Geschäftsführerin.

Die Diskussion hat sich schon beruhigt

Birgit Fischer und Dr. Diener verwiesen zudem darauf, dass die Zuwendungen für die Patientenorganisationen bereits öffentlich einsehbar sind. 2009 wurde erstmals für 2008 angegeben, welche Gelder gezahlt wurden und was Gegenstand der jeweiligen Kooperation war. „Seitdem hat sich die ganze Diskussion beruhigt, denn mit den Listen zwingen Sie die Leute zur Sachdiskussion. Und sollte etwas nicht in Ordnung sein, kann das beim FSA angezeigt werden“, so Dr. Diener.

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