Anzeige

Vielleicht geht Evolution ja doch rückwärts

Autor: Erich Kögler

Barbie mutierte zum Hummer und landete mit einem Sonnenstich kübelnd im Bett. Barbie mutierte zum Hummer und landete mit einem Sonnenstich kübelnd im Bett. © fotolia/Maridav
Anzeige

Die Aussicht auf Hautkrebs scheint viele junge Leute nicht vom Bräunen in der prallen Sonne abzuhalten – in unserer aktuellen Meinungskolumne "Mit spitzer Feder".

Die Kackbratze brutzelt seit Stunden bei praller Mittagshitze in Brathähnchenmanier vor sich hin, ab und an spricht sie mit nervtötender Stimme in das in die Hand implantierte Handy, das ansonsten von Wischbewegungen im Sekundentakt malträtiert wird. Hin und wieder werden auch die Grill­erfolge und die von einem offensichtlich skrupellosen Schönheitschirurgen designten Körperformen von Barbie für das ganz gewiss staunende Internetpublikum „geshootet“. Dann muss der etwas motivationslos wirkende Ken, bislang neben ihr brutzelnd, sich auf ihren Befehl hin bewegen und den Job von Karl, dem Lagerfeld, übernehmen.

Alsdann werden diese bildlichen Ergüsse des gefühlt kommenden Megastars am Mailänder Modelhimmel sofort unter freudigem Quietschen meiner „Strandmuse“ gepostet. Himmelherrgott, wann gibt es endlich Hirnimplantate? Was ein entspannter Strandtag mit ebensolcher Lektüre in meinem Urlaub – natürlich unter dem Sonnenschirm – werden sollte, ließ mich, auch wenn ich in meinem nicht eben kurzen Leben schon einiges an Blödheit erleben musste, doch zugegebenermaßen fassungslos zurück.

Barbie, die nach kurzer Zeit zum Hummer mutierte und sämtlichen Versuchen Kens, in den Schatten auszuweichen, schmollend die aufgespritzten Lippen gen modellierter Stupsnase hochziehend trotzte, landete dann am Abend nicht nur mit Verbrennungen, sondern ganz sicher auch mit einem Sonnenstich kübelnd im Hotelbett. Mein Mitleid hielt sich in Grenzen und doch dachte ich mir – was mir zu meinem eigenen Unbehagen in letzter Zeit durchaus öfter passiert –, dass erschreckend viele dieser jungen Menschen ganz offensichtlich nicht mehr alle Latten am Zaun haben.

Vielleicht geht Evolution ja doch auch rückwärts. In jedem Fall gibt es einige Erkenntnisse aus der gefühlten Steinzeit, die viele Menschen nicht die Bohne interessieren. Barbie zumindest hat offenbar keinen Schimmer, dass übermäßige UV-Bestrahlung Risikofaktor Nummer eins für die Entstehung von Hautkrebs ist. Oder es ist ihr Schnuppe, weil sie möglicherweise denkt, dass der erst in greisenhaftem Alter von 40 kommt, wenn ihr Leben als Supermodel eh vorbei und damit wertlos ist …

Wer einen gleichmäßig gebräunten Teint vorzuweisen hat, gilt als sexy, chic und attraktiv. Vor allem in den heißen Sommermonaten gibt es überall Menschen, die sich stundenlang in der Sonne aalen, ohne ausreichenden Sonnenschutz. Obwohl ich bislang davon ausgegangen bin, dass ausreichend Aufklärung betrieben wurde, schützen sich doch vor allem junge Menschen zu wenig gegen die UV-Strahlung. Jedes Jahr erkranken allein in Deutschland über 293 000 Menschen neu an Hautkrebs, etwa 21 200 an einem malignen Melanom. In den letzten Jahren hat die Zahl dieser Erkrankungen drastisch zugenommen.

Eine Umfrage hat ergeben, dass der Lichtschutzfaktor für viele Deutsche offenkundig ein Rätsel ist. 41 % der Befragten kannten dessen Bedeutung nicht. 6 % der Befragten fühlen sich durch die einmalige Nutzung eines Sonnenschutzes mit LSF 30 den ganzen Tag geschützt. Nur jeder zweite junge Mensch unter 39 Jahren ist sich bewusst, dass Hautkrebsvorsorge sinnvoll ist. Klar ist: Viele wissen zu wenig über ultravio­lette Strahlen und ihre Folgen. Also doch weiter aufklären!

Auch wenn das Hautkrebsargument sie nicht überzeugt hätte: Barbie hätte sich vielleicht einen Sunblocker besorgt und sich unter den Sonnenschirm gekauert, wäre ihr bewusst gewesen, dass sie bei gesteigerter Sonnenexposition früher mit tiefen Falten und schlaffer Haut zu rechnen hat, wenn sie regelmäßig als Hummer modelt. Da hilft irgendwann auch keine Flatrate beim Schönheitschirurgen mehr.

Anzeige