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Wandel beim stationären Vergütungssystem in den USA

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Fee-for-Service ist teuer, alternative Modelle sind im Kommen. Fee-for-Service ist teuer, alternative Modelle sind im Kommen. © Fotolia/Rawf8
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Gute Versorgung anhand von Qualitätsindikatoren messbar und vergleichbar zu machen, steckt in Deutschland noch in der Kinderschuhen. Auch bezüglich der Transparenz über Ergebnisse besteht noch Nachholbedarf. Die USA sind schon deutlich weiter.

Qualitätsverbesserung hat in den USA einen großen Stellenwert, im ambulanten wie im stationären Bereich. „Es ist viel experimentiert worden in den vergangenen 20 Jahren, und es wird weiter experimentiert“, sagt Professor Dr. Nikolas Matthes, Assistant Professor an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore.

Das Land muss sich zwangsläufig dem Thema widmen, denn der Kostendruck ist groß. Die US-Gesundheitsausgaben liegen bei 17 % des Bruttoinlandsprodukts. In Frankreich und Deutschland sind es rund 11 %. Es ist aber auch die öffentliche Debatte um Patientensicherheit und Qualität, die den Druck noch forciert.

Medicare und Medicaid

  • Medicare und Medicaid sind US-amerikanische Regierungsprogramme, eingeführt 1965.
  • Medicare ist eine Krankenversicherung für Menschen über 65 Jahre, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit terminaler Nierenerkrankung. Sie ist vor allem auf Langzeiterkrankungen ausgerichtet. Auch Kinder können versichert werden, wenn die (vierköpfige) Familie nicht mehr als 44.700 Dollar pro Jahr verdient.
  • Medicaid (auch Medical Assistance genannt) unterstützt Einzelpersonen und Familien mit beschränktem Einkommen bezüglich der Gesundheitsversorgung.

Quelle: www.medicare.gov

Prof. Matthes verweist darauf, dass ab diesem Jahr 90 % aller Kostenvergütungen für Medicare an die Qualität geknüpft sein sollen. Erwartet wird damit langfristig auch ein reformiertes Vergütungssystem. Zurzeit erfolgt die Vergütung hauptsächlich noch über den traditionellen Fee-for-Service – jede Leistung wird bezahlt. „Je mehr man abrechnet, umso mehr verdient man. Sicherlich auch ein Treiber für die hohen Ausgaben“, so Prof. Matthes.

Vergütung zunehmend mit Qualitätskriterien verknüpft

Jedoch ist schon jetzt ein beträchtlicher Teil des Fee-for-Service qualitäts- und wertbasiert. Ziel sind alternative Vergütungsmodelle mit Qualitätsindikatoren und Budgets. „Dies ist groß im Kommen“, so der Experte. Der Anteil des traditionellen Fee-for-Service wird stetig geringer. 2014 waren es noch bis zu 25 %. Auch private Versicherer ordnen sich dem Trend unter. Sie haben sich bereits vor zwei Jahren dazu verpflichtet, dass 2020 75 % ihrer Vergütungen auf Qualitäts- und Wertemodellen basieren werden. Prof. Matthes betont ausdrücklich, dass die Reformen nicht auf Präsident Trump zurückzuführen sind, sondern „eine lange Historie“ haben. Pay-for-Performance ab 2012 sei das Endprodukt einer Kette von Entwicklungen. Beim „Hospital Value-Based Purchasing Program“ (VBP-Programm) zum Beispiel werden 2 % der gesamten von der staatlichen Krankenversicherung Medicare an Krankenhäuser gezahlten DRG-Basisvergütung einbehalten, um sie später nach der Ermittlung von Qualitätsdaten vollständig auszuschütten. Je nachdem, wie Kliniken Qualität umsetzen, fließt dieses Geld zurück – oder eben auch nicht. Es ist eine Geldumverteilung auf Basis von Leistung.

Krankenhäuser orientieren sich verstärkt an Indikatoren

Entscheidend ist die Erfüllung von Indikatoren zur klinischen Versorgung (z.B. 30-Tage-Mortalität bei Herzinfarkt oder Pneumonie), die Patientensicherheit (z.B. elektive Entbindung vor der 39. Schwangerschaftswoche, Wundinfektionen), Patientenzufriedenheit und Kos­teneffizienz (Medicare-Kosten für den Versicherten). Beim Hospital Readmissions Reduction Program wiederum steht die übermäßige Wiederaufnahme von Patienten im Fokus. Bis zu 3 % der DRG-Vergütung werden gestrichen, wenn die risikoadjustierte Anzahl von Wiederaufnahmen für Herzinfarkt, Pneumonie, Herzversagen, COPD, Knie- und Hüftgelenkersatz sowie koronaren Bypass zu hoch liegt. Und beim Hospital-acquired Conditions Program, das perioperative Indikatoren und besonderen Wert auf Infektionsindikatoren legt, verlieren Krankenhäuser, deren Gesamtpunktzahl im oberen Viertel aller Krankenhäuser mit den meisten Komplikationen liegt, jährlich 1 % der gesamten DRG-Basisvergütung. Die Vorstellung, Teile des Gesamtbudgets zu verlieren, zeigt Wirkung. Die Krankenhäuser orientieren sich zunehmend an den Indikatoren, wie der Referent berichtete. Wohl auch, weil die Ergebnisse zur Qualität und Sicherheit öffentlich gemacht werden, Kliniken somit einen Platz in der Bestenliste amerikanischer Krankenhäuser gewinnen oder verlieren können. „Lesson learned“, so das Fazit von Prof. Matthes. Positiv hebt er noch hervor, dass die Programme und die Qualitätsindikatoren nicht langfristig festgeschrieben sind. Das Center for Medicare & Medicaid Services könne neue Vergütungsmodelle testen und ggf. in Kombination mit einem Verordnungssystem einführen – ohne politisches Zutun.

„Exzellentes System“ lässt sich übernehmen

Positiv äußert sich auch Professor Dr. Thomas Mansky, Leiter des Fachgebiets Strukturentwicklung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen der TU Berlin. Die Umrechnung der Indikatoren auf Punkte in Kombination mit der Bewertung der Verbesserung beim VBP-Programm sei ein „exzellentes System“. Dieses könnte man 1:1 in Deutschland übernehmen. Zurückhaltend äußerte er sich zur Übernahme der Indikatoren. In der Entwicklung der benötigten, weiter gefassten Indikatoren hinke Deutschland jedoch hinterher. Diese dauere Jahre, sagt er mit Blick auf Mindestmengen und diesbezügliche Diskussionen im Gemeinsamen Bundesausschuss.
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