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Warum dreschen Krimis auf Hausärzte ein?

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

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Im Krimi übersehen Hausärzte sogar Mord - und auch sonst kommen sie nicht gut weg. Ein paar besondere Blüten serviert Kolumnistin Dr. Cornelia Tauber-Bachmann.

Was mir besonderes Vergnügen bereitet, sind die mittlerweile in vielen Hotels eingerichteten kleinen Biblio-theken oder Bücherregale. So kann man die eigene Ferienlektüre leihweise ergänzen und findet auch Lesenswertes über die Urlaubsregion. Manchmal gibt es dort sogar aktuelle Bücher, von denen man gehört oder gelesen hat, sie aber (noch) nicht kaufen wollte.

Voller Neugier ging ich daher an einem meiner ersten Urlaubstage zu der kleinen Hotelbibliothek, um mir Unterhaltsames zum Zeitvertreib zu holen. Das erste Buch, das ich mir ansah, war ein hochgelobter, in Ich-Form verfasster Jahresbericht einer Dreißigjährigen, die unter Panik-attacken und Depressionen litt.

Die Autorin ließ den Leser sehr offen an ihren „Aufs und Abs“ teilhaben – eine angemessene medikamentöse Behandlung akzeptierte die Protagonistin freilich lange Zeit nicht. Nein danke, das erinnerte mich doch zu sehr an die tägliche Arbeit in der Praxis.

Das nächste Buch meiner Wahl – ein Krimi – ärgerte mich schon auf den ersten 50 Seiten mit langen Erläuterungen, warum Hausärzte zu doof sind, um eine Leichenschau ordnungsgemäß durchzuführen. In diesem Fall hatte der Hausarzt die Würgemale am Hals einer 80-Jährigen übersehen und einen „Herz-Kreislauf-Stillstand“ attestiert. Warum die Leiche dann doch beim Gerichtsmediziner landete? Diese Erklärung blieb der Autor seiner Leserschaft allerdings schuldig.

Würgemale? Das war bestimmt ein Herzinfarkt!

Der andere Hausarzt, der in diesem Krimi vorkam, trieb sich vorwiegend auf den Golfplätzen der Gegend herum und versuchte, sich bei den örtlichen Honoratioren anzubiedern. Fast wie im richtigen Leben ...( frei nach Gerhard Polt, dem bekannten bayrischen Kabarettisten).

Der nächste von mir erwählte Schmöker handelte von einer wunderhübschen, superklugen, edlen und fachlich extrem kompetenten Gerichtsmedizinerin, die nicht nur auf ihrem Fachgebiet supergut Bescheid wusste, sondern auch mit allgemeinmedizinischem und psychia­trischem Wissen brillierte. Da könnte eine normale Hausärztin schon grün vor Neid werden: nicht wegen der Tätigkeit, sondern angesichts all der überirdisch vollkommenen Eigenschaften!


In dem Roman wurde die Dame schließlich von einer bösen Internet-Kolumnistin mit ausgeprägten kriminellen Energien zunächst verleumdet und später immer heftiger attackiert – dass Kolumnisten so viel Macht haben sollten, fand ich wiederum interessant, aber wenig realistisch. Zuletzt jedenfalls geriet die Gerichtsmedizinerin mit einer ebenso attraktiven und brillanten Staatsanwältin (die mich aber naturgemäß nicht so interessierte) in eine lebensgefährliche Situation, die zur Klärung des Falls aber sehr nützlich war.


Ach übrigens: Die Kolumnistin war nicht die Mörderin! Das muss doch noch erwähnt werden!

Mein Albtraum: Assistenzärztin bei Dr. House

Kurz gesagt, es war recht schwierig, entspannende bzw. spannende Urlaubslektüre zu finden. Da in Liebesromanen üblicherweise auch nur tolle Ärzte vorkommen, hatte ich darauf verzichtet, in diesem Genre weiterzusuchen, mich stattdessen auf Tourenbeschreibungen aus dieser Bibliothek beschränkt und meine mitgebrachten Bücher gelesen.


Ganz unbeeindruckt blieb ich von der im Hotel vorgefundenen Lektüre dennoch nicht: In der Nacht hatte ich einen kuriosen Traum. Nicht, dass ich als Gerichtsmedizinerin ständig mit dem Bösen in der Welt konfrontiert gewesen wäre. Nein, es war ein Albtraum anderer Art: Assis­tenzärztin bei Dr. House!

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