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Wellness im Hotel - wie heilsam kann das sein?

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

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Verwöhnen lassen fürs Wohlbefinden - MT-Kolumnistin Dr. Cornelia Tauber-Bachmann fühlt dem Angebot auf den Zahn und nennt eine kostenlose Alternative.

Meine Freundin und Kollegin sagte: „Du solltest mal was über Wellness schreiben.“ Wir waren gerade angekommen, saßen auf dem Balkon unseres Urlaubshotels und blinzelten in die frühherbstliche Abendsonne. Vor uns lag die leicht hügelige Seen- und Wald-Landschaft, die so typisch für Mecklenburg-Vorpommern ist, und harrte der Entdeckung. Ich merkte, wie die Anspannung der letzten Tage scheibchenweise von mir abfiel.

Ein Wochenende im Jahr soll die Verdauung regeln?

„Ich finde, das mit der Wellness wird überbetont“, meinte meine Freundin weiter – und hatte wohl noch einige Gespräche aus ihrer Sprechstunde im Kopf. Auch mir fiel eine Beratung aus der letzten Woche ein: So gab ich einer Frau in mittleren Jahren die Empfehlung, doch ein wenig kürzerzutreten und sich mehr zu entspannen, um ihre funktionellen Verdauungsbeschwerden in den Griff zu bekommen. „Ich mach doch Wellness“, entgegnete mir damals die Patientin auf meine Ausführungen, „jedes Jahr gönne ich mir ein verlängertes Wellness-Wochenende mit meinen Freundinnen.“


So berichtete die Patientin auf mein Nachfragen von einem abgelegenen Hotel, Entspannungsmassagen mit exotischen Ölen, wohlduftenden Kräuterbädern, Lichtbädern, die sie in Sandkuhlen einnähmen, Sauna und Dampfbädern, Kosmetik, Lymphdrainagen und dem unterhaltsamen Ruhen auf Liegestühlen. Sprich: Informationsaustausch mit Freundinnen im Bademantel bei Kräutertee!

Völlig verkrampft im wohl duftenden Kräuterbad...

Ja, ich kann mir schon vorstellen, wie erholsam das alles ist. Zweifellos beschleunigt oder erleichtert eine Entspannungsmassage die vegetative Umstellung von der Arbeitsbelas­tung zur Urlaubsentspannung – das weiß ich auch aus eigener Erfahrung. Doch die schwülstig-dämmrige Atmosphäre und die exotischen Gerüche mancher Wellness-Oasen sind mir irgendwie suspekt. Außerdem: Ich bezweifle insgeheim, dass ein Kräuterbad entspannend ist, wenn man die Badezimmertür nicht absperren kann. Aber das liegt wohl an meiner letzten Krimilektüre: Da meuchelte der Mörder seine Opfer im Schönheitsbad!


„Die Menschen brauchen doch permanent, genau genommen täglich etwas für ihren Stressabbau,  ihre seelische Ausgeglichenheit“, sinnierte meine Freundin schließlich weiter. Und ich erinnerte mich: Auch ich hatte damals zu meiner Patientin gesagt, dass eine solche Entspannung einmal pro Jahr wohl ein bisschen wenig sei. Doch das hatte die Frau seinerzeit mit einem schlagenden Argument vom Tisch gewischt: „So viel Geld hab ich nicht, dass ich mir das mehrmals leisten könnte.“


Schon klar: Wöchentliche, selbst bezahlte Massagen und Anwendungen gehen ins Geld und überschreiten das Budget – vor allem, wenn die ganze Familie auf einmal diesen Anspruch mit gleichem Recht für alle geltend macht. Aber muss es denn immer so viel Geld kosten? Braucht man denn immer fachmännischen Beistand, um die innere Ruhe zu finden? Ist der Gang ins Wellness-Zentrum einziger Garant, uns wieder ins seelische Gleichgewicht zu manövrieren und uns wieder wohlzufühlen?

Natur tut gut und kennt keine Öffnungszeiten

Eigentlich ist es ganz simpel: Wir haben doch als „Wellness-Oase“ die Natur, die uns umgibt! In der Stadt einen Park. Auf dem Land die Fel­der und Wälder. Dort können wir wandern, Rad fahren und spazieren gehen. Viele haben einen eigenen Garten – auch zum Gestalten und Genießen. Ist das nicht pure Wellness für Augen und Seele, all die verschiedenen Grüntöne der Wiesen, Bäume und Sträucher, die Blautöne von Himmel und Wasser? Bunte Blumen von Frühjahr bis Herbst. Und die endlose Weite der weißen Schneelandschaften. Und draußen im Freien gibt‘s sogar noch mehr für unsere Sinne: Wind und Regen.


Kurzum: Die Natur hat durchgehend geöffnet, ist fast immer schnell erreichbar und mit keinen oder geringen Kosten verbunden. Warum können wir dieses Angebot nicht so recht schätzen, oder, wie leider allzu oft, erst schätzen, wenn wir schon krank sind? Fast jeder Patient, der sich mit Stress und Stressbewältigung beschäftigt, also seine Grenzen spürt, nennt mir als eine Ressource gegen seine Überbelastung den Aufenthalt in der Natur.


Übrigens, meine Freundin und ich nutzten unseren Ferienaufenthalt, um die Umgebung zu Fuß oder per Rad zu entdecken. Und haben uns so gut erholt wie schon lange nicht mehr. Unser Hotel hatte im Übrigen keine Wellness-Abteilung!

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