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Werbesprache der Kassen – welch begnadete Einfalt!

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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Krankenkassen werden zu Gesundheitskassen und Medikamente versprechen Utopisches. Was unser Kolumnist von Werbesprache im Gesundheitswesen hält.

Warum ist plötzlich eine bestimmte Sportsalbe so gefragt? Oder ein Grippemittel, das ich nie verordnen würde, wenn es nicht schon zum wiederholten Mal verlangt worden wäre? Irgendwann am Abend, kurz vor der Tagesschau, dann der Geistesblitz. Aha, die Medikamente werden zur Zeit intensiv im Fernsehen beworben.

„Werbung ist die Kunst, auf den Kopf zu zielen und die Brieftasche zu treffen.“ Vance Packard, ein amerikanischer Publizist, soll dies gesagt haben. Bei den Reklametüftlern im Gesundheitswesen aber, so mein Eindruck, hat sich das mit der Kunst noch nicht so rumgesprochen. Das einzige, das mir immer wieder auffällt, ist die begnadete Einfalt, mit der sie gesegnet scheinen.

„Werbung ist die Kunst, auf den Kopf zu zielen und die Brieftasche zu treffen.“

Kürzlich erhielt ich einen Routinebrief von der AOK-Krankenkasse. Pardon, von der Gesundheitskasse. So steht es nämlich im Briefkopf. Damit es auch jeder weiß, haben sie sicherheitshalber noch fettgedruckt darunter geschrieben: „Gesundheit in besten Händen.“ Seit die Werbefuzzies ihre AOK in Gesundheitskasse umbenannten, scheuen sie das Wort Krankheit nämlich wie der Gottseibeiuns das Weihwasser. Sie glauben offensichtlich, die bei ihnen versicherten Nichtgesunden fühlten sich diskriminiert, wenn man sie Kranke nenne.

Wahrscheinlich war aber bloß irgendwann einer im Vorstand verschnupft und weil ihm alle stets „Gesundheit“ zuriefen, kam er auf die Idee: Nennen wir uns doch gleich so! Dann haben wir bei jeder Grippewelle kos­tenlose Reklame. Toller Einfall der Spitzenkräfte!

Dabei ist die AOK damit schon lange nicht mehr allein. Denn immer mehr Krankenkassen werden – schwupp! – zu „Gesundheitskassen“. Wobei das Wörtchen „gesund“ manchen nicht mehr reicht. So gibt es eine „BIG direkt gesund“ und eine „IKK gesund plus.“ Zu „direkt gesund“ fällt mir nicht viel ein, vor allem weil mir zu „indirekt gesund“ gleich überhaupt nichts einfällt. „Gesund plus“ wiederum stelle ich mir als die Vorstufe zur Glückseligkeit vor. Na ja, wenn die Beiträge das hergeben!

Krankenkassen werden – schwupp! – zu „Gesundheitskassen“

Ebenfalls umbenannt hat sich die BKK Dr. Oetker. Was ich gut nachvollziehen kann. Welcher Diabetiker möchte denn immer an Vanillepudding erinnert werden, wenn er seine Versichertenkarte zückt? Aber warum nennt sie sich jetzt „Heimat Krankenkasse“? Was hat Heimat mit Krankenversicherung zu tun? Sehr seltsam.

Der Firmensitz ist übrigens in Bielefeld, der Stadt in Ostwestfalen, von der vor zwanzig Jahren in einer Art Verschwörungstheorie behauptet wurde, sie existiere gar nicht. Was ja, Gott sei Dank, widerlegt werden konnte. Möglicherweise ist aber seither dort so eine Art Heimatgefühl stadtimmanent. Meine Frau ist übrigens aus Bielefeld. Aber sie hat zu der ganzen Angelegenheit keine Meinung. Was wiederum so ungewöhnlich ist, dass es zur Verschwörungstheorie passen würde.

Werbung ist mir manchmal ziemlich lästig

Sie haben es sicher schon bemerkt. Werbung ist mir manchmal ziemlich lästig. Sie kommt mir vor wie ein Netz mit klebrigen Fäden. Überall bleibt sie an mir hängen. Wenn ich eine Tageszeitung kaufe. Wenn ich ein Internetportal anklicke. Wenn ich die Tagesschau nicht punktgenau einschalte. Die Zeitungsbeilagen werden dabei meist sofort entsorgt (schade eigentlich, weil manchmal kulturell Interessantes statt wie früher im Feuilleton, jetzt im „Magazin“ erscheint). Oder sie bleiben zum Entzücken der Verkäuferin gleich im Laden. Mein Scherz, „dafür geben Sie mir die Zeitung billiger“, ändert nichts daran, dass ihr dabei regelmäßig das Lächeln einfriert.

Doch natürlich ist Werbung aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Allein das ganze Theater mit der Arterhaltung hätte ja ohne Werbung gar nicht funktioniert. Und auch unser Gesundheitswesen braucht sie. Es hat schließlich gute Ware anzupreisen. Aber nach Möglichkeit, bitte schön, informativ und intelligent. Nur Gesundheit statt Krankheit auf den Briefkopf zu pressen, ist ein bisschen dürftig.

Es geht um Menschen, nicht um frisch gezapftes Pils

Außerdem kann für die Reklame im Gesundheitswesen durchaus besondere Sorgfalt verlangt werden. Es geht schließlich um Hilfesuchende, Kranke und ihr Informationsbedürfnis. Es geht hier nicht um den Schaum bei einem frisch gezapften Pils. Werden Werbefloskeln in die Welt hinausposaunt, welche nicht hinterfragt werden können, hat das ein Gschmäckle.

Ein Antihypertonikum - nur als Beispiel - sollte wirksam sein und nebenwirkungsarm. Aber nicht damit beworben werden, es sei mild. Und sehr oft ist der Pflichtanhang einer Reklame mit „dann fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ ein viel zu dürftiges Feigenblatt nach vollmundigen Versprechen. Die Euphemismen schießen im Gesundheitswesen eh aus dem Boden wie das Unkraut vorm Misthaufen.

Übrigens: Ist Ihnen schon aufgefallen, dass es keine Versichertenkarten mehr gibt. Sie heißen jetzt –Gesundheitskarten. Logisch. Heilige Einfalt, bitt’ für uns!

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