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Wettbewerb? Sachverständigenrat beklagt „prohibitive“ Gesetzgebung

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

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Während im Gesundheitswesen der Preiswettbewerb Effekte zeigt – z.B. Kassenwechsler aufgrund von Zusatzbeiträgen –, hakt es beim Qualitätswettbewerb. Die Angst vor hohen Kosten hält die Kassen davon ab, die medizinische Versorgung durch innovative Verträge zu gestalten, so der Sachverständigenrat.

Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung“ heißt das 440-seitige Sondergutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Erwartungsgemäß quittierte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr den Empfang des Werks mit den Worten: „Das Gutachten bestätigt den gesundheitspolitischen Kurs dieser Bundesregierung und bestärkt mich weiter in meiner Arbeit, mehr wettbewerbsorientierte Elemente im Gesundheitswesen zu etablieren.“

Dabei kritisieren die Sachverständigen mehrere Maßnahmen des Gesetzgebers und widersprechen z.B. der Forderung des FDP-Politikers, aktuelle Überschüsse der GKV an die Versicherten auszuschütten. Dem siebenköpfigen Expertenrat sitzen der Mannheimer Volkswirt Professor Dr. Eberhard Wille und der Frankfurter Allgemeinmediziner (und DEGAM-Präsident) Professor Dr. Ferdinand Gerlach vor.

Lieber Kostenkontrolle als Gestaltungsaufgabe

Dem Gutachten liegt eine Befragung von Krankenkassen und Krankenhäusern zugrunde, die unter anderem Motivation, Erfahrungen und Hemmnisse bei der Integrierten Versorgung herausarbeitet. Der Rat bestätigt damit die „stagnierende Bereitschaft der Krankenkassen, in innovative Versorgungskonzepte zu investieren“. Die aus ihrer Sicht „unsichere Rendite“ bei teilweisen erheblichen Anfangsinvestitionen in neue Strukturen bremse die Kassenverantwortlichen.

Insbesondere bei HzV-Verträgen fürchten sie Mengensteigerungen als Kostentreiber. Die Kassen kümmern sich deshalb lieber um Ausgabenbegrenzung und -kontrolle (z.B. von Klinikrechnungen), Arznei-Rabattverträge und die Vermeidung oder Reduzierung von Krankengeldansprüchen.

Viele Verträge zur Integrierten Versorgung wurden nach dem Ende der Anschubfinanzierung 2008/2009 eingestellt. Dass der Gesetzgeber im Sinne der Beitragsstabilität verlangt, etwaige Mehraufwendungen in der hausarztzentrierten, der besonderen ambulanten ärztlichen sowie der Integrierten Versorgung durch vertraglich abgesicherte Einsparungen und Effizienzsteigerungen zu finanzieren, „wirkt angesichts der Unsicherheit künftiger Erträge für innovative Versorgungskonzepte nahezu prohibitiv“, stellt der Rat fest. „Die gesetzlichen Regelungen zeugen von einem Misstrauen in die Vertragsfreiheit sowie das Effizienz- und Effektivitätspotenzial, das sich mit Hilfe selektiver Verträge und wettbewerblicher Prozesse heben lässt.“

Finanzieller Anreiz für erfolgreiche Verträge

Neben den drohenden Kosten werden von den Krankenkassen ein formalisiertes Ausschreibungsverfahren sowie die Budgetbereinigung als die gravierendsten Hindernisse für künftige Verträge genannt.

Die Gutachter empfehlen, künftig Versorgungskonzepte zu fördern, die evaluiert werden. Als finanzieller Anreiz taugten fünfjährige, zinsverbilligte Darlehen für die Krankenkassen aus einem Kapitalfonds. Sofern die Evaluation gesundheitliche Verbesserungen belege, könne dies mit Rückzahlungsverzicht und einer Finanzierung aus dem Gesundheitsfonds belohnt werden.

Der Sachverständigenrat schlägt ferner vor, die DMP in Verträge der Integrierten Versorgung zu überführen. Schließlich sei ein sektorenübergreifender Behandlungsbedarf ein zentrales DMP-Kriterium. Zudem würde eine Unterstellung der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung unter die selektive Vertragsgestaltung unerwünschten Leistungsausweitungen vorbeugen.

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