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Wir Ärzte sind die Grottenolme des Medienzeitalters

Autor: Dr. Robert Oberpeilsteiner

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Werblich und medial sind Ärzte Blindgänger, konstatiert Dr. Robert Oberpeilsteiner: stumm, farblos und im Praxisalltag vergraben.

Als ich vor Jahren meinen horrend überteuerten Eintrag im lokalen Telefonbuch kündigte, meinte der Klinkenputzer nur: „Das versteh‘ ich nicht. Ihr habt doch sonst eh keine Möglichkeit der Werbung!“


Wie recht hatte der Mann. Fragte man damals einen Kollegen: „Wie hältst du es mit der Werbung?“, so zuckte er meist nur mit den Schultern. Vielleicht fiel ihm ein, dass sein Eintrag ins lokale Telefonbuch fettgedruckt war. Den meisten fiel dann schon  nichts mehr ein. Nach längerem Nachdenken höchstens noch die Annonce in der Zeitung, wenn die Praxis wegen Urlaubs geschlossen wurde. Das wars dann schon. Und heute ist es noch nicht viel anders. Dazu gekommen sind seriös langweilige Internetauftritte der Praxen. Aber sonst?

Selbst für Omas Todesanzeige wird man abgemahnt

Warum beschleicht viele von uns Ratlosigkeit, wenn es um Werbung geht? Ist es so etwas wie das Drama des begabten Kindes: Ich mache doch gute Arbeit, warum soll ich dann noch groß darüber reden? Im Paragraf 27 unserer Berufsordnung steht: „Berufswidrige Werbung ist dem Arzt untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Der Arzt darf eine solche Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden.“


Die Bundes­ärztekammer, um große Formulierungen nicht verlegen, schreibt außerdem in ihrer „verfassungsrechtlichen Bewertung der Außendarstellung von Ärzten“: „Das Werbeverbot für Ärzte soll dem Schutz der Bevölkerung dienen.“
Dem Schutz der Bevölkerung! Das hört sich geradeso an, als ging es um die Rechtfertigung für den Atomausstieg.


Dabei betrifft es doch meist nur Kleinigkeiten. Etwa, wenn die Urlaubsannonce in der Zeitung zu groß ausgefallen ist. Oder wenn es um die Todesanzeige der Oma geht.  Wenn dummerweise neben den tröstenden Worten des Pfarrers und dem wunderschönen Gesang des Kirchenchors auch die – erfolglosen – Bemühungen des Hausarztes lobend erwähnt werden. Aus welchen Gründen auch immer.


Die Frage sei erlaubt: Wie soll diese „Werbung“ denn zu verhindern sein, bitte schön? Muss man bei jeder Therapieänderung die Angehörigen darauf hinweisen: „Wenn sie aber danach stirbt, bedanken Sie sich bitte nicht im Tagblatt.“ So oder so, es würde falsch verstanden werden.

Putzfrauensuche als Chance zur legalen Selbstdarstellung

Nun gibt es ja Gerüchte, dass manche Kollegen alle zwei Wochen um eine Reinigungsfrau annoncieren, damit sie ihr Praxisdienstleis­tungsspektrum immer schön in der Wochenendausgabe platzieren können. Manchen wird vorgeworfen, dass sie jeden Springertag mit anschließender Praxisschließung mit einer ganzseitigen Anzeige kundtun. Aber seien wir doch nicht päpstlicher als der Papst: Selbst wenn – der Schutz der Bevölkerung, wäre damit nicht im Geringsten gefährdet.


Andere haben da weniger Probleme. Meine Softwarefirma hat mir mit dem letzten Update eine Werbedame auf den Bildschirm geschaltet. Jedes Mal, wenn ich den Rechner starte, sitzt jetzt da diese Lady in Weiß, darüber glänzt das Logo ihres Arbeitgebers. Da mein Rechner in etwa demselben Jahr produziert wurde wie mein Golf der vorletzten Serie, ist er auch in der Geschwindigkeit mit ihm auf Augenhöhe. Das bedeutet, dass ich jeden Morgen, wenn ich den Computer hochfahre, für annähernd eine Minute dieser fremden Frau in die Augen schaue.

Außendarstellung ist für uns doch ein Fremdwort

Das mache ich nicht einmal mit meiner eigenen, wenn ich ihr „Guten Morgen“ sage. (Die wäre äußerst verwundert, und würde höchstens fragen: Spinnst du, oder was?). Dazu hat diese Muster-Ärztin beim Foto-Shooting offensichtlich direkt in die Kamera geguckt.  Denn, egal wo ich bin – und wenn ich mich unter den Schreibtisch verkrieche –, sie sieht mich immer frontal an. Liebe IT-Techniker von Compumed! Sagt mir, bitte, wie entkomme ich Eurer Mona Lisa? Kann man denn dieses Mädel nicht wegklicken? Oder wenigstens gegen einen mein morgendliches Gemüt schonenden Bildschirmschoner austauschen? Wir sind ja hier im virtuellen und nicht im richtigen Leben. Da darf man doch solche Wünsche äußern!


Außerdem sieht sie gar nicht wie eine Ärztin aus. Viel zu entspannt. Viel zu ausgeschlafen, nicht übermüdet. Eher eine frisch aus dem Urlaub zurückgekehrte Außendienstmitarbeiterin. Vermutlich war sie in der Dominikanischen Republik mit Frühbucherrabatt.


Wie man sieht, haben andere kein Problem mit der „Außendarstellung“. Ähnlich ist es in den Debattierklubs. Da erlebt man im Großen, was bei uns schon im Kleinen nicht so richtig funktioniert. In den Talkshows, den medialen Folterwerkzeugen für interessierte Zuschauer, wird über medizinische Themen bramarbasiert, was das Zeug hergibt.

In Talkshows haben nur die Lauterbachs das Sagen

Täuscht mich mein Eindruck, oder liege ich mit der Beobachtung richtig, dass wir dabei meistens schlecht abschneiden? Nicht so, wie es unserem Ansehen in der breiten Öffentlichkeit eigentlich entspricht?  Wortführer sind meist lauter Experten, lauter mediale Koryphäen, lauter Lauterbachs. Sie prägen weitgehend das Bild von uns. Denn uns Medizinern ist Öffentlichkeitsarbeit offensichtlich nicht in die Wiege gelegt worden.


Wir sind – und bleiben wohl immer – die Grottenolme des Medienzeitalters: blind, stumm, farblos, tief vergraben in der Höhle Praxisalltag.

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