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Zwischen Skype und Realität liegen Welten!

Autor: Dr. Cornelia Tauber-Bachmann

Patienten richtig behandeln funktioniert nur von Angesicht zu Angesicht. Patienten richtig behandeln funktioniert nur von Angesicht zu Angesicht. © fotolia/rocketclips
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Für eine Differenzialdiagnose reicht laut Dr. Tauber-Bachmann Skype nicht aus. Der Arzt braucht den Patienten als reale Person. Wo ein Vorteil des Skypens liegen soll, ist ihr schleierhaft.

Das neue Jahr hat’s gebracht, nun ist es amtlich: Unsere Patienten dürfen, nein, sollen uns sogar auch per Video konsultieren. Und wir bekommen dies bezahlt. Heißt es. Nun, ich habe da so meine Bedenken. Nicht was die Bezahlung betrifft, da wird sich eine Regelung finden. Zu Millionären wird sie uns aber sicher nicht machen. Nein, meine Bedenken sind ganz anderer Art.

Ich bin kein ausgesprochener Computer-Freak. Ich nutze den PC zur Erleichterung der Verwaltungsarbeit, zum Erfassen der Patientendaten, zur Dokumentation, als Reservoir für Patientenmerkblätter, die ich selbst zusammengestellt habe, und zur Abrechnung. Und zugegeben, meine Angestellten können mit unseren Praxis-PCs wesentlich besser umgehen als ich. Aber die Bedienung von Skype beherrsche ich!

Ganz besonders oft und regelmäßig nutzte ich es, als meine Kinder ihre Auslandssemester in weit entfernten Ländern verbrachten. Jetzt skype ich zwar seltener, aber doch regelmäßig, um mit Freunden und Patenkindern im Ausland in Kontakt zu bleiben. Das Gespräch so "von Angesicht zu Angesicht" ist doch intensiver und aufschlussreicher als ein einfaches Telefonat.

»Einige Patienten schicken mir Bilder von Ekzemen«

Auch fehlt es mir nicht an Fantasie, um mir vorzustellen, dass es Situationen geben kann, in denen ein Skype-Kontakt durchaus sinnvoll ist. Ich denke da nur an meinen letzten Dienst, Minusgrade und auf den Straßen Eisglätte. Weder Patient noch Arzt mögen da raus in die unwirtliche Welt! Und in Gegenden der 3. Welt, wo ein Arzt viele Stunden weiter weg praktiziert, ist ein Skype-Kontakt sicher wertvoll, zumindest um die ersten Maßnahmen zu klären oder zu entscheiden, ob ein Rettungsdienst alarmiert werden muss.

Natürlich habe ich als Reisemedizinerin auch Patienten, die mir aus aller Welt Fotos schicken, wenn sie ein tropisches Insekt gestochen hat, wenn sie plötzlich ein Ekzem entwickeln oder wenn sie Symptome bei sich feststellen, die per Foto dokumentierbar sind. Die Fotos sind oft hilfreicher als lange Beschreibungen.

Aber dazu genügt ein Mail-Kontakt und ein Foto-Handy mit ausreichender Pixelzahl. Für differenziertere Konsultationen sind dann doch die am Reiseort ansässigen Kollegen und Kolleginnen zuständig. Aber gehört es nicht zu unseren urärztlichen Aufgaben, die Patienten zu behandeln? Behandeln im wahrsten Sinn des Wortes – in dem Wort "behandeln" steckt "Hand", also Hand anlegen, berühren. Wie soll das über Skype gehen? Natürlich bekomme ich über Skype mehr Informationen als über ein reines Telefonat. Aber wenn ich bedenke, wie schwierig es für mich schon war, die Gesichtsfarbe meines Sohnes am Bildschirm zu beurteilen, als er in Südamerika unter Bauchschmerzen litt!

»Soll die Arzt-Konsultation an Wert verlieren?«

Zwischen dem Bildschirm und einem persönlichen Kontakt mit allen Aspekten liegen doch Welten! Natürlich können wir oft mit einer guten Anamnese und den richtigen Fragen und Antworten schon eine Diagnose stellen, aber zur Differenzialdiagnose und zum "Feintuning" brauchen wir den Patienten als reale Person. Wo außer in den oben genannten Situationen ein Vorteil des Skypens liegen soll, ist mir schleierhaft.

Oder haben unsere Patienten keine Zeit mehr, zum Arzt zu gehen, weil sie ständig damit beschäftigt sind, auf ihre digitalen Geräte zu starren? Und weil sie den Arzt in der realen Welt nicht mehr akzeptieren können, nur noch in der virtuellen? Und ein anderer Verdacht beschleicht mich noch: Soll unsere ärztliche Konsultation dadurch an Wert verlieren? Soll sie gar in die Nähe einer Verbraucherberatung gerückt werden? Sollen uns die Patienten weiter entfremdet werden, sodass wir eine (noch) leichter zu manövrierende Masse in den Händen der Gesundheitspolitiker und Kassenfunktionäre werden? Was meinen Sie?

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