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Chronikerziffern: vor Rückforderungen schützen

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Die 4-Quartals-Regelung bleibt uns wohl erhalten. Die 4-Quartals-Regelung bleibt uns wohl erhalten. © iStock.com/SebastianGauert
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Der KBV wird es wahrscheinlich nicht mehr gelingen, den Kassen gegenüber ihre Vorstellungen zu den Chronikerziffern durchzusetzen. Wenn aber alles so bleibt, wie es ist, bieten die Ziffern viel Angriffsfläche. Für Hausärzte heißt das: Schauen Sie sich die Bedingungen genau an, damit Sie niemand über den Tisch ziehen kann.

Die zum 1. Oktober 2013 von der KBV akzeptierte Definition des Leistungsinhaltes der Chronikerziffern 03220 und 03221 EBM wird wohl bestehen bleiben – ein Änderungsantrag der KBV im Bewertungsausschuss wurde von der Kassenseite abgelehnt. Jetzt wurde zwar noch das Schiedsamt, also der erweiterte Bewertungsausschuss, angerufen – große Chancen auf eine Beseitigung der potenziellen Kriminalisierung der Vertragsärzte, die sich hinter der alten Regelung verbirgt, sieht man aber selbst bei der KBV nicht.

Es bleibt also vermutlich dabei, dass man in mindestens drei der Abrechnung der Chronikerpauschalen unmittelbar vorangehenden Quartalen einen Patientenkontakt haben muss, wovon mindestens zwei dieser Kontakte unmittelbar erfolgen müssen, damit ein Patient als chronisch krank im Sinne der Leistungslegende gilt. Bleiben wird deshalb auch die Gefahr, dass Kassen Rückforderungen wegen eines aus ihrer Sicht nicht korrekten Ansatzes der Leistungen geltend machen.

Keine Chance auf Änderung – Rückzahlungsgefahr bleibt

Das zu verändern, war mal das Ziel der KBV: Im Rahmen der Honorarverhandlungen für das Jahr 2018 war eine Streichung der 4-Quartals-Regelung und die Bindung der Chronikerpauschalen an eine Dia­gnoseliste sowie die Einführung eines Multimorbiditätszuschlags angestrebt (siehe MT 20/2018). Der GKV-Spitzenverband hatte eine grundsätzliche Bereitschaft zur Beratung angedeutet – mit der Einschränkung, dass die 4-Quartals-Regelung unbedingt beibehalten werden solle, da sie die kontinuierliche Betreuung von chronisch Kranken durch dieselbe Praxis dokumentiere.

Obgleich die KBV den Kassen vorgerechnet hat, dass es sich bei ihrem als Alternative vorgeschlagenen Diagnosebezug um eine für die Kassen kostenneutrale Regelung handelt, hat man dort das Angebot abgelehnt.

Wer weiß, was die Kassen dann aus dem Hut zaubern

Die Kassenseite hatte vielmehr in die Sitzung des Bewertungsausschusses einen eigenen Vorschlag eingebracht. Dieser sieht vor, dass die alte Regelung bestehen bleibt und lediglich zusätzlich Patienten mit mehr als 42 Liegetagen im Krankenhaus innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr auch als chronisch krank betrachtet werden können.

Der Erweiterte Bewertungsausschuss, der als Schiedsamt fungiert, muss nun entscheiden, ob er dem vernünftigen Vorschlag der KBV oder der „hirnrissigen“ Empfehlung der Kassen folgt. Entscheidet das Schiedsamt gegen den KBV-Vorschlag, ist das nicht nur sehr bedauerlich, sondern es wird damit zu rechnen sein, dass die Kassen auch an anderer Stelle aktiv werden.

Schon in der Vergangenheit gab es Versuche einzelner Kassen in regionalen KVen, die Hausärzte um ihren Lohn zu bringen. Ende Juni 2014 bekamen Ärzte in Sachsen von ihrer KV ein Schreiben, dass eine Kasse Rückforderungen für sachlich-rechnerische Richtigstellungen bei der Abrechnung der Chronikerpauschale nach Nr. 03212 EBM vom 1. Quartal 2010 bis zum 3. Quartal 2013 gestellt habe. Und ein Jahr später haben die Kassen in Nordrhein zugeschlagen. Auch dort behaupteten sie, dass bereits die alte Chronikerziffer nach Nr. 03212 EBM nicht korrekt berechnet worden sei, da der Ansatz dieser Leistung eine kontinuierliche Behandlung des betreffenden Patienten beinhalte. Nach Auffassung der Kassen in Nordrhein sollte das die im § 62 der Chroniker-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses geforderte Dauerbehandlung (mindestens ein Jahr lang mindestens einmal pro Quartal) sein.

Die Krankenkassen haben also unterstellt, dass sogar in vier vor der Abrechnung der Chronikerpauschale unmittelbar vorhergehenden Quartalen Arzt-Patienten-Kontakte stattgefunden haben müssen, und leiteten daraus Rückforderungen von rund 12 Mio. Euro ab.

Und jetzt haben sich die Kassen noch eine weitere Regelung beim Ansatz der Chronikerleistungen vorgeknöpft. Eine kontinuierliche ärztliche Behandlung liegt bekanntlich auch vor, wenn der Patient mit einer lebensverändernden chronischen Erkrankung seinen Hausarzt wechselt. Dann muss der übernehmende Hausarzt die bei dem „alten“ Hausarzt stattgefundenen Arzt-Patienten-Kontakte dokumentieren (z.B. in der Patientenakte) und in der Abrechnung mittels einer kodierten Zusatznummer anzeigen: Bei Hausarztwechsel, Änderung der Versichertennummer, geänderter Betriebsstättennummer oder Wechsel des Patienten aus der hausarztzentrierten Versorgung ins vertragsärztliche System müssen die Chronikerziffern mit dem Suffix „H“ (Nrn. 03220H bzw. 04220H und ggf. 03221H bzw. 04221H) gekennzeichnet werden.

Das hat die KV Niedersachsen in einem Rundschreiben im März 2018 auch noch einmal explizit mitgeteilt. Sie forderte dabei aber auch, dass die beim vorherigen Hausarzt stattgefundenen Arzt-Patienten-Kontakte inklusive gesicherter Diagnose bei der vorherigen Hausarztpraxis erfragt werden müssen. Und zwar sogar durch Anforderung eines Auszuges aus der Patientenakte. Allein die Aussage des Patienten schütze nicht vor möglichen Prüfanträgen der Kassen.

Diagnose beim Vorgänger anfordern – geht‘s noch?

Derartige Anforderungen bewegen sich allerdings auf einem rechtlich fragwürdigen Terrain. Nach den zuletzt durch die Datenschutzgrundverordnung verschärften Datenschutzbestimmungen dürfen solche Daten nämlich nur mit schriftlicher Zustimmung des Patienten herausgegeben werden. Beim Ansatz des Suffix „H“ muss es deshalb reichen, die Vorbehandlungen beim Patienten bzw. bei Bezugspersonen abzufragen und, falls der vorbehandelnde Hausarzt angegeben wird, dessen Name und Anschrift in der Patientenakte zu dokumentieren. Zumal nach den EBM-Bestimmungen in den Vorquartalen lediglich eine „hausärztliche“ und nicht eine „vertragsärztliche“ Behandlung stattgefunden haben muss. Die Kriterien sind also genauso erfüllt, wenn der Patient zuvor mehrere Monate privatärztlich z.B. während eines Auslandsaufenthaltes versorgt wurde.

Da hilft nur: konsequent Widerspruch einlegen!

Werden Hausärzte also wegen des vermeintlich nicht berechtigten Ansatzes der Chronikerziffern mit dem Suffix „H“ um Stellungnahme gebeten oder gar mit Regress bedroht, sollten sie unbedingt Widerspruch einlegen und darauf verweisen, dass der betreffende Patienten befragt wurde und dies als ausreichend anzusehen ist.

Falls Krankenkassen feststellen, dass in Vorquartalen bei einem anderen Arzt andere Diagnosen angegeben wurden und somit eine kontinuierliche Behandlung wegen derselben chronischen Erkrankung nicht vorlag, kann ebenfalls darauf verwiesen werden, dass der Patient andere Angaben gemacht hatte und somit der Ansatz des Suffix „ H“ berechtigt war.

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