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Patienten pfeifen auf die Therapietreue

Praxismanagement , Patientenmanagement Autor: Ruth Bahners, Foto: fotolia/TR Design

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Ist die Arzt-Patienten-Beziehung nur eine "Scheinwelt", in der viele Patienten einen guten Eindruck erwecken möchten, um dann hinter dem Rücken des Arztes doch das zu machen, was sie wollen? Diese Frage stellte sich die KV Nordrhein in ihrem Projekt.

Seit vier Jahren versucht die KV in Gesprächskreisen von 46 Ärzten und 13 Vertretern der Patientenselbsthilfe, sog. Fokus-Gruppen, zu ergründen, warum viele Patienten den Verordnungen ihrer Ärzte nicht folgen.

KV-Chef Dr. Peter Potthoff warf die Frage auf, ob die Arzt-Patienten-Beziehung nur eine "Scheinwelt" sei angesichts von Studien, die besagen, dass 30 % der Patienten die vom Arzt verordneten Medikamente nicht oder nicht wie verordnet nehmen – in der Regel, ohne darüber mit ihrem Arzt zu sprechen.

"Erschüttert" war Dr. Potthoff bei der Präsentation der Projektergebnisse in Düsseldorf vor allem darüber, dass auch lebensbedrohlich Erkrankte die verordneten Medikamente nicht einnehmen würden. Ausdrücklich betonte der Gynäkologe das Recht des Patienten, Therapien zu verweigern. Doch wenn er mit seinem Arzt darüber sprechen würde, könnten Therapie-Alternativen gefunden werden.

Sturer Patient mit Halbwissen macht Mühe

Dr. Potthoff verlangte eine öffentliche Diskussion, am besten auf einem Ärztetag, über dieses Problem: "Die Zahlen sind zu groß, das Problem ist zu gewaltig." Das Internet ist wenig hilfreich hinsichtlich der Therapietreue. Darin waren sich die beteiligten Ärzte und Patienten einig. "Bei Google ist Krebs immer gleich Tod", beklagte Dr. Ralf Raßmann. Für den Düsseldorfer Hausarzt ist der Anspruch "Arzt-Patient auf Augenhöhe" gescheitert. Der Patient, der ein Halbwissen habe und es mit Macht verteidige, mache die Arbeit sehr schwer.

Auch der Beipackzettel würde Ängste schüren, da Patienten zum Beispiel nicht wüssten, dass "häufig" in Bezug auf Nebenwirkungen nur 10 % bedeute. Die beteiligten Urologen schlugen vor, zwei Beipackzettel zu erstellen: einen, der die rechtlichen Bedürfnisse des Herstellers befriedige, und einen anderen für Patienten in verständlicher Sprache.

Zu wenig Zeit fürs Gespräch, klagen Ärzte und Selbsthilfe

Aber warum verhalten sich die Patienten so? Es fehle die Zeit für ein ausführliches Gespräch. Und dieses werde zu gering honoriert, klagten Selbsthilfe und Ärzte übereinstimmend. Immer noch würden technische Leistungen höher bewertet.

Aus Sorge vor einer Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses würden die Patienten dem Arzt Abweichungen vom Therapieplan verschweigen. "Denn grundsätzlich möchten Patienten der Expertise ihres Arztes vertrauen", sagte Dirk Meyer, Patientenbeauftragter der Landesregierung.

Aus Sicht des Apothekers sind die Rabattverträge ein großes Problem für die Therapietreue. Der vorgeschriebene Austausch durch ein wirkstoffgleiches, günstigeres Präparat schüre Ängste bei den Patienten, berichtete Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein.

Häufig seien Rücksprachen mit dem verordnenden Arzt notwendig. Daher machten Rabattverträge auch gesundheitsökonomisch keinen Sinn. Engelen: "Alles was durch die Rabattverträge eingespart wird, geht an anderer Stelle durch die notwendigen Nachjustierungen wieder drauf."

Eine "gezielte Gestaltung" des Arzt-Patienten-Gesprächs könne die Adhärenz verbessern, raten die beteiligten Ärzte. Das meint konkret: Lassen Sie Patienten Angehörige mitbringen – insbesondere, wenn es um die erste Übermittelung einer schwerwiegenden Diagnose und Therapie geht. Zeigen Sie Konsequenzen auf, die sich durch die Abweichung vom empfohlenen Therapieplan ergeben können, etwa bei der Verordnung von Antibiotika.

Patienten enger führen und Konsequenzen aufzeigen

Die Kollegen plädierten auch für eine "enge Patientenführung". Dazu gehöre die Kontrolle, ob der Patient die verordneten Mittel einnimmt. Besonderes Augenmerk sollte etwaigen Nebenwirkungen geschenkt werden. Durch kurze Gespräche in kürzeren Abständen fühle sich ein Patient gut betreut und nehme die Medikamente besser an.

Die Ärzte in den Fokus-Gruppen plädierten zudem für "mehr Therapiefreiheit". Es habe z.B. wenig Sinn, einem Patienten, der eher der spontane Typ sei, eine dreimal tägliche Einnahme zu verordnen. "Die Medikation muss zu ihm in seinem Lebensumfeld passen", meinte ein beteiligter Hausarzt.

Idee: Stichprobenprüfung der Kassen bei den Versicherten

Aus haftungsrechtlichen Gründen sei eine genaue Dokumentation der Verweigerung einer Therapie durch den Patienten zu empfehlen. Und die Krankenkassen sollten nicht nur den Ärzten die Verordnungssummen vorwerfen, sondern "auch mal Stichproben machen, ob die Patienten ihre Medikamente wirklich einnehmen".


Quelle: Tagung der KV Nordrhein

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