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Todesfallbescheinigung als Checkliste nutzen

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Anke Thomas, Fotos: Thinkstock, Prof. Dr. Rainer Mattern

Thinkstock; Prof. Dr. Rainer Mattern Thinkstock; Prof. Dr. Rainer Mattern
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Prof. Dr. Rainer Mattern wünscht sich von Ärzten mehr Mut zum ungeklärten Todesfall. Der Rechtsmediziner gibt Tipps zur Leichenschau.

Muss ein Hausarzt sofort aufbrechen, wenn er zu einer Leichenschau gerufen wird oder darf er zunächst noch die im Wartezimmer sitzenden Patienten versorgen?

Eine Leichenschau ist laut Bestattungsgesetz unverzüglich durchzuführen und das heißt in der Regel sofort, sagt Prof. Dr. Mattern. Schließlich könnte der vermeintlich Tote noch leben und gerettet werden.

 

Hat ein Hausarzt aus berechtigtem Grund (z.B. Gefährdung eines höheren Rechtsguts) keine Zeit für die unverzügliche Durchführung einer Leichenschau, muss er den Auftrag ablehnen, damit ein anderer Arzt beauftragt werden kann.

Obwohl bei den meisten Ärzten ungeliebt, ist eine gut durchgeführte Leichenschau aus mehreren Gründen wichtig. Dabei geht es seltener um die Aufdeckung eines eventuellen Mordes, sondern z.B. häufiger um die Klärung versicherungsrelevanter Tatbestände, die für die Hinterbliebenen von großer Bedeutung sein können.

"Besorgniserregende Unsicherheiten" bei der Leichenschau

Dabei wurde auf dem letzten Deutschen Ärztetag über "Besorgnis erregende Unsicherheiten" bei der Leichenschau diskutiert, sagte Referent Prof. Mattern im Workshop "Update Leichenschau – gibt es etwas Neues?".

Bekanntlich sind alle Krankenhaus- und niedergelassenen Ärzte dazu verpflichtet, eine Leichenschau durchzuführen. Ausgenommen sind Notfallärzte.

Neuer­dings gilt zusätzlich, dass die Pflicht zur Leichenschau für den behandelnden Arzt dann entfällt, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass eine vorausgehende ärztliche Maßnahme und der Tod des Patienten zusammenhängen könnten.

Zwar sind die Pflichten rund um die Leichenschau Ländersache. Die jeweiligen Bestattungsgesetze ähneln sich jedoch weitgehend, weiß Prof. Mattern.

Leichenschau möglichst nicht im Freien durchführen

Nach der Todesfeststellung ist die Leiche zu entkleiden. Sobald es dabei Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod gibt, darf und muss der Arzt das Entkleiden unterlassen oder abbrechen und sofort die Polizei informieren. Neuerdings gilt, dass eine Leichenschau möglichst nicht im Freien durchgeführt werden sollte, sagte Prof. Mattern.

Wenn der Arzt sichere Zeichen des Todes feststellt, muss er verpflichtend und sofort eine Todesbescheinigung ausstellen. Sichere Zeichen des Todes sind:

  • Totenstarre,

  • Totenflecken,

  • Fäulniserscheinungen,

  • mit dem Leben unvereinbare Verletzungen (z.B. Kopf abgetrennt),

  • Hirntod,

  • Erfolglosigkeit der Reanimation nach hinreichend langer Dauer.

Totenflecken, erklärte Prof. Mattern, treten häufig als Allererstes an den Ohren auf. Verblassen Totenflecken bei einem Fingerdruck von etwa 3 gr. und erscheinen rasch wieder, ist der Tod vor ca. 0,5 bis sechs Stunden eingetreten.

Todesbescheinigung als Checkliste nutzen

Kollegen, die eine Leichenschau verzögert durchführen oder keine Todesbescheinigung ausstellen, handeln ordnungswidrig. Eine Geldbuße von 1000 Euro könnte den Arzt treffen.

 

Ärzte können nicht alles rund um die Rechtsmedizin wissen, aber zumindest wünscht sich Prof. Dr. Mattern die Durchführung einer "guten" Leichenschau. Dazu gehört, dass die schlimmsten Fehler vermieden werden sollten. Diese sind:

  • Lebende für tot erklären,

  • Tötungsdelikte nicht erkennen,

  • tödliche Unfälle nicht erkennen,

Auch nach einem Suizidversuch ist eine Reanimation übrigens verpflichtend bzw. die versuchte Selbsttötung darf nicht als Patientenverfügung gewertet werden.

Bei der Durchführung einer Leichenschau kann die Todesbescheinigung dem Arzt quasi als Check-Liste dienen. Dabei wünscht Prof. Mattern von Ärzten ruhig mehr Mut zum ungeklärten Fall.

Zentrale Bedeutung hat die korrekte Klassifikation der Todesart: Um einen natürlichen Tod begründet festzustellen, bedarf es konkreter Befunde für Krankheiten, die den Tod plausibel erklären. Fehlen solche Befunde, sollte ein Arzt keinen natürlichen Tod bescheinigen, sagte Prof. Mattern.

Ärzte liefern Anhaltspunkte, Polizei zuständig für Beweise

Es kommt dann darauf an, ob Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod gefunden werden. Dazu muss der Arzt durch Erhebung der Vorgeschichte und durch Untersuchung solange suchen, bis er welche gefunden hat (dann sofortige Meldepficht wegen Anhaltspunkten für nicht natürlichen Tod) oder er sicher ist, dass er keine Anhaltspunkte übersehen hat (dann Meldepflicht wegen Todesart ungeklärt).

Anhaltspunkte müssen den nicht natürlichen Tod nicht beweisen! Der Beweis ist Aufgabe nachfolgender Untersuchungen durch Polizei bzw. andere Spezialisten.

* im Rahmen der Stuttgarter "Medizin 2014"

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