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Anwälte, Polizei oder Staatsanwalt in der Praxis – wer darf was?

Praxisführung , Praxismanagement Autor: Anouschka Wasner, Foto: bilderbox.com

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Die Schweigepflicht ist ein hohes Gut – doch wie weit geht sie, wenn das Gesetz und seine Vertreter ins Spiel kommen? Verhaltenstipps für die Einsichtnahme bzw. Herausgabe von Krankenunterlagen bei Durchsuchung oder Beschlagnahme.

Dipl.-Kfm. Raik Siebenhüner, LL.M., Präsident des Fördervereins Medizinrecht der Dresden International University e.V., rät dem Thema Einsichtnahmerecht von Rechtsanwälten, Polizei und Staatsanwalt sensibilisiert zu begegnen und den Stellenwert der ärztlichen Schweigepflicht nicht zu unterschätzen. Damit der Arzt im Moment der Konfrontation nicht vor lauter Schreck gravierende Fehler macht, gibt Siebenhüner Tipps als Richtschnur für das Verhalten.

Fall Nr. 1: Ein Rechtsanwalt meldet sich bei Ihnen und fragt nach den Krankenunterlagen eines Patienten, der gleichzeitig sein Mandant ist.

Ihr Patient hat grundsätzlich Recht auf Einsicht in seine Krankenunterlagen – wobei sich diese Offenbarungspflicht auf objektivierbare Behandlungsmaßnahmen beschränkt. Aufzeichnungen, an deren Zurückhaltung der Arzt ein begründetes Interesse hat – subjektive Werturteile wie etwa „Kommentare“, die innerhalb der Praxis Informationen über den Patienten vermitteln sollen – müssen dagegen nicht herausgegeben werden. Bei psychiatrischen Behandlungen kann die Offenbarung außerdem aus therapeutischen Gründen verweigert werden.

Um aber dieses Recht auf Einsichtnahme durch den Rechtsanwalt ausüben zu lassen, muss dieser eine Vollmacht vorliegen haben und außerdem eine individuelle Schweigepflichtsentbindung, die sich auf einen konkreten Sachverhalt bezieht. Lassen Sie sich also beides vorzeigen! Sollten Kopien gewünscht werden, erstellen Sie diese auf Kosten des Patienten.

Fall Nr. 2: Die Polizei oder die Staatsanwaltschaft meldet sich bei Ihnen und möchte Auskünfte im Zusammenhang mit einer Fahrerflucht.

Auch hier greift die Schweigepflicht! Ausnahmen gelten nur bei rechtfertigendem Notstand (§ 34 StGB) oder bei Verletzung eines höherwertigen Rechtsgutes (§ 138) – dazu gehören neben Hochverrat zum Beispiel Mord und Totschlag. Fahrerflucht ist dagegen als Grund nicht ausreichend. „Als Arzt muss man aber nicht die Paragrafen auswendig lernen, um zu wissen, wann ein Rechtsgut höherwertig ist“, erklärt Raik Siebenhüner. „Man muss sich jedoch bewusst sein, dass die Durchbrechung der Schweigepflicht in den meisten Fällen eine besonders schwere Straftat voraussetzt!“

Fall Nr. 3: Die Polizei steht vor der Tür und will eine Durchsuchung der Praxis oder eine Beschlagnahme durchführen.

Die juristischen Hintergründe sind in solchen Fällen meist recht kompliziert. Wer nicht so tief einsteigen will, kann sich folgende grundlegende Verhaltensregeln für den Ernstfall merken:

  • Erfragen Sie, wer die Maßnahme angeordnet hat und was man dabei aufzufinden hofft. Lassen Sie sich ein offizielles, beurkundetes Schriftstück zeigen, aus dem der Grund der Maßnahme und die vorgeworfene Straftat hervorgehen. Falls nicht ein Richter die Maßnahme angeordnet hat, erfragen Sie, womit die „Gefahr im Verzug“ begründet ist.
  • Erfragen Sie die im aktuellen Moment anwesenden Personen, lassen Sie sich Dienstausweise zeigen.

  • Stimmen Sie der Maßnahme nicht freiwillig zu und geben Sie keine Unterlagen heraus – dulden Sie die Durchsuchung lediglich.

  • Bleiben Sie während der ganzen Aktion persönlich anwesend.

  • Verlangen Sie ein Verzeichnis der in Beschlag genommenen Unterlagen und Gegenstände. Sie müssen zwar zulassen, dass die Originaldokumente mitgenommen werden, Sie dürfen (und sollten) sich aber Kopien für die eigenen Zwecke anfertigen.


Das Problem in solchen Situatio­nen ist natürlich auch der Überraschungsmoment – wer rechnet schon im Alltag mit solchen „Highlights“? Sinnvoll ist es deswegen, eine Dienstanweisung für das Praxisteam zu schreiben (es könnte ja sein, dass Sie in diesem Moment noch nicht mal anwesend sind!), in der Sie die verschiedenen Möglichkeiten der Zugriffnahme auf Krankenunterlagen durchdeklinieren.

Quelle: Fachtagung „Datenschutz in der Medizin – Update 2013“, Wiesbaden

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