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Expertentreff: Fernbehandlung am Telefon unzulässig

Autor: RAin Angelika Habermehl

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Ärztliche Beratung und Zweitmeinung per Telefon: Verstoßen die für eine Krankenkasse tätigen Ärzte gegen die Berufsordnung? - Expertenkommentar -

Eine gesetzliche Krankenkasse bietet ihren Versicherten einen neuen Service an: das „Ärzte-Telefon“ (Slogan: „Bei Anruf: Arzt – 365 Tage im Jahr für Sie da.“) Das hört sich gut an und ist sicher gut gemeint, erscheint aber bei näherer Betrachtung als rechtlich fragwürdige Aktivität. Denn das Angebot kollidiert mit dem berufsrechtlichen Verbot der Fernbehandlung.


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Das Fernbehandlungsverbot in § 7 Absatz 4 der Musterberufsordnung lautet: Ärztinnen und Ärzte dürfen eine individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandelt.

Die eifrige Krankenkasse stellt ihren Service mit den Worten vor: „Unter der Telefonnummer (...) werden Sie sofort mit einem Facharzt verbunden, der Sie vertrauensvoll zu Ihrem individuellen Anliegen informiert und berät.“ Weiter heißt es: „Oder Sie möchten eine zweite ärztliche Meinung einholen? Die Ärzte unseres Ärzte-Telefons helfen Ihnen gerne weiter: (...) Holen Sie sich eine unabhängige zweite Meinung zu Ihrem bestehenden Befund ein. Untersuchungsberichte und Röntgenbilder können Sie hierzu an unser Ärzte-Telefon schicken. Es erfolgt eine interdisziplinäre Beratung unter den Ärzten. Das Ärzte-Telefon meldet sich im Regelfall spätestens zwei Tage nach Eingang der Unterlagen bei Ihnen zurück.“

Verstößt Tele-Doktor gegen Berufsordnung?

Verstoßen die für die Kasse tätigen Ärzte damit gegen ihre Berufsordnung? Unserer Auffassung nach: Ja! Denn § 7 Abs. 4 MBO-Ä verbietet die individuelle Behandlung und Diagnose mittels Telefon oder anderen Fernkommunikationsmitteln. Ob es sich dabei um eine Zweitmeinung, eine Drittmeinung oder Ähnliches handelt, ist unerheblich.

Sobald der Facharzt den Patienten nicht persönlich sieht, ihn aber aufgrund von Schilderungen und Unterlagen wie Röntgenbildern etc. diagnostiziert, handelt es sich um eine Fernbehandlung, die ausweislich der MBO-Ä als berufsrechtswidrig erachtet wird.

Telemedizinisches Konsil ist rechtlich unproblematisch

Davon zu unterscheiden ist ein (telemedizinisches) Konsil, durch das z.B. bereits erfolgte Diagnosen aufgrund von Röntgenbildern verifiziert werden. Dabei entsteht kein Behandlungsverhältnis zwischen dem Konsiliarius und dem Patienten; der Konsiliarius wird durch den behandelnden Arzt hinzugezogen und zu speziellen Punkten befragt.

Die Krankenkasse hingegen bietet an, den Ärzten Röntgenbilder und Untersuchungsberichte zu schicken, Beschwerden und Symptome zu schildern und darauf beruhend mittels Telefon eine Diagnose zu erhalten, nachdem die Fachärzte sich interdisziplinär beraten haben. Es wird also individuell beraten und diagnostiziert, sodass hier ein Behandlungsverhältnis entsteht, das nicht ausschließlich auf Fernkommunikationsmitteln beruhen darf.

Die Krankenkasse spricht von einem „Telearztzentrum“ und springt damit auf den Zug der Verwechslung auf. Denn mit einer telemedizinischen Beratung kann nicht das Verbot der Fernbehandlung umgangen werden. Die Bundesärztekammer warnt seit 2011 auf ihrer Homepage vor der „Zweitmeinung im Internet“, die keinesfalls mit der telemedizinischen Beratung verwechselt werden darf.

„Haftungsausschluss“ schützt die Ärzte nicht

Die Krankenkasse schreibt in einem „Haftungsausschluss“, dass es sich nur um Auskünfte allgemeiner Natur handele und die Diagnose nur bei einem Arztbesuch erfolgen könne. Das widerspricht dem Wortlaut zum Zweitmeinungsservice und kann die teilnehmenden Ärzte nicht vor berufs- und haftungsrechtlichen Konsequenzen schützen. Auch die Kasse selbst könnte unserer Auffassung nach wettbewerbsrechtliche Folgen davontragen.

Fazit: Eine Diagnosestellung und/oder individuelle Beratung am Telefon ist stets als berufsrechtswidriges Verhalten zu werten und sollte vermieden werden, sofern der Arzt den Patient nicht ohnehin bereits in seiner Praxis behandelt. Dann sind telefonische Auskünfte natürlich rechtlich erlaubt. Im Zweifel kann rechtlicher Rat bei der zuständigen Ärztekammer oder einem spezialisierten Fachanwalt eingeholt werden.

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