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Kauft sich die AOK den Kassenarzt?

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: RA Maximilian Broglie, Foto: thinkstock

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Das Antikorruptionsgesetz stellt das Gewähren und Annehmen von Vorteilen für die unlautere Bevorzugung von Marktteilnehmern bei der Arzneimittelverordnung unter Strafe. Gilt das auch für die Einflussnahme durch Krankenkassen?

Der zwischen der KV Thüringen und der AOK Plus geschlossene Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung sieht bei der Verordnung von Arzneimitteln im Fall der Zielerreichung eine Ausschüttung von 50 % der tatsächlichen Pharmakotherapiekosten-Einsparungen an die beteiligten Hausärzte vor. Nachdem der Bundestag das Antikorruptionsgesetz verabschiedet hat, kamen einem thüringischen Kassenarzt Bedenken: Macht er sich hier möglicherweise strafbar? Sollte er eventuell sogar Selbstanzeige erstatten?

Auf juristischen Rat hin wandte er sich zunächst an die Landesärztekammer Thüringen. Sie antwortete ihm: "Was Ihre Befürchtungen bezüglich der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung der AOK Plus betrifft, so dürfte Sie beruhigen, dass in der Gesetzesbegründung zum Regierungsentwurf (Bundestagsdrucksache 18/6446, S. 20) ausdrücklich folgendes festgehalten wurde: Bonuszahlungen auf sozialrechtlicher Grundlage (vgl. beispielsweise § 84 Absatz 4 SGB V) stellen ebenfalls einen Vorteil dar.

Entsprechende Vereinbarungen, die den Vertragsarzt gemäß den gesetzlichen Vorgaben zu einem wirtschaftlichen Verordnungsverhalten in dem Sinne veranlassen sollen, dass unter mehreren Arzneimitteln, die im Einzelfall für den Patienten in ähnlicher Weise geeignet sind, nach Möglichkeit das preisgünstigste Präparat verordnet wird (...), dienen sowohl dem wirtschaftlichen Wettbewerb als auch den Interessen des Patienten bzw. der gesetzlichen Krankenversicherung und erfüllen den Tatbestand nicht.

Sie sind berufsrechtlich zulässig, wenn dem Arzt die Möglichkeit erhalten bleibt, aus medizinischen Gründen eine andere als die mit finanziellen Anreizen verbundene Entscheidung zu treffen (§ 32 Absatz 1 Satz 2 MBO). Sie werden nicht für eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb (...) gewährt, sondern für eine wirtschaftliche Verordnungsweise und eine sinnvolle Mittelallokation (...). Es fehlt damit an einer tatbestandlich vorausgesetzten inhaltlichen Verknüpfung zwischen Vorteil und Verordnungsentscheidung."

Eine Begründung ist kein Gesetz

So richtig weitergeholfen hat die Landesärztekammer dem Arzt damit jedoch nicht, da es in § 31 (Muster-)Berufsordnung heißt: "Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, ... für die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder Medizinprodukten ein Entgelt oder andere Vorteile … sich oder Dritten versprechen oder gewähren zu lassen."

Hinzu kommt, dass die von der Landesärztekammer zitierte amtliche Begründung zu dem Gesetzentwurf eben nur eine Begründung ist. Wie mag die Justiz damit umgehen? Die lapidare Feststellung in der amtlichen Begründung, dass die Ziele derartiger Bonusvereinbarungen auch den Interessen des Patienten dienen und berufsrechtlich zulässig seien, wenn dem Arzt die Möglichkeit erhalten bleibe, aus medizinischen Gründen eine andere als die mit finanziellen Anreizen verbundene Entscheidung zu treffen, ist so nicht richtig. Denn:

  • Wie entscheidet sich ein Arzt, wenn ihm für eine für den Patienten minderwertige Therapie ein Vorteil geboten wird? Jedenfalls ist der Arzt in der Entscheidung nicht mehr frei.
  • Dass die Verordnungspraxis den Interessen des Patienten dient, stimmt generell nicht!
  • Mit dem Argument, eine Vereinbarung sei zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, sich als Arzt anders zu entscheiden, könnte sich ein Arzt auch straffrei von einer Pharmafirma bezahlen lassen.

Wie passen Berufsordnung, § 299a und Boni zusammen?

Die Aktion der AOK dient aber wohl nicht nur dem "Schutz des Vermögens der GKV" – wie Oberstaatsanwalt Badle ausführt (siehe Kasten) –, sondern sie soll der AOK auch einen Wettbewerbsvorteil vor anderen Kassen bieten. Es wird vermutlich die Aufgabe der Gerichte sein zu prüfen, ob die Berufsordnung und der § 299a StGB auch auf derartige Bonusverträge anzuwenden sind. Dem Gesetzestext des § 299a und der Berufsordnung kann man dies jedenfalls nicht entnehmen. Wenn der Gesetzgeber es mit diesen Ausnahmen ernst gemeint hätte, hätte er sie auch gleich ins Gesetz schreiben können.



Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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