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Prüfverfahren: Wie Überschreitung bei EBM Nr. 35110 begründen?

Autor: Prof. Dr. A. Ehlers. RAin Sonja Ehlers, Foto: Thinkstock

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Leser fragen, MT-Experten antworten: Wie können Überschreitungen bei der EBM-Nr. 35110 plausibel gegenüber den Prüfern begründet werden?

Dr. E. aus K.,
Facharzt für Allgemeinmedizin:


Für die Quartale 3/12 und 4/12 wurde mir Ende 2013 die Einleitung eines Prüfverfahrens zur Wirtschaftlichkeit bezüglich der EBM-Nr. 35110 (differenzialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände) wegen Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 390 bzw. 310 % angekündigt. 

Im Zeitprofil war ich unauffällig. Die RLV/QZV-Obergrenze habe ich nicht ausgeschöpft.

Eine Stellungnahme mit Hinweisen zur vermehrten Behandlung von Patienten mit Depressionen, zu einem Praxisstandort in einer Industriestadt mit vielen schwierigen Arbeitsplätzen und zur Einsparung von Antidepressiva (belegt durch Arzneistatistik) habe ich Anfang 2014 an die KV geschickt.

Nun kam das nächste Schreiben für die Quartale 1/13 und 2/13 wegen 350 bzw. 360 % Überschreitung. Bei einer Scheinzahl von etwa 1100 wurde die Nr. 35110 ca. 500- bis 600-mal pro Quartal abgerechnet. Wenn durchschnittlich vier Gespräche stattfinden, wurden 125 bis 150 Patienten pro Quartal durch psychosomatische Intervention behandelt. Das ist doch plausibel!


 
Prof. Dr. jur. Dr. med. Alexander
P. F. Ehlers,
Fachanwalt für Medizinrecht,
Facharzt für Allgemeinmedizin,
Sonja Graßl, LL. M., Rechtsanwältin,
München:

Die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der EBM-Nr. 35110 ist ein Problem, mit dem sich viele Vertragsärzte her­umschlagen müssen. Aufgrund der zeitlichen Verzögerung, in der die Prüfverfahren ablaufen, ist es nicht ungewöhnlich, dass Quartal für Quartal Schreiben zu neuen Prüfverfahren im Briefkasten landen, obwohl über bereits erfolgte Stellungnahmen noch nicht entschieden wurde.

Und so paradox es auch klingen mag: Es ist nicht ungewöhnlich, dass Ärzte bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu Regresszahlungen herangezogen werden, obwohl sie die eigene RLV/QZV-Obergrenze unterschritten haben.

Denn die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise hat nichts mit dem Quartals- oder Tageszeit-Profil zu tun und auch nichts mit der Frage, ob die Obergrenze für das Regelleistungs- und qualifikationsgebundene Zusatzvolumen ausgeschöpft ist.

Wirtschaftlichkeitsprüfung hat nichts mit Zeitprofil oder RLV-Überschreitung zu tun

Denn Zeitprofile und RLV-Überschreitungen sind nicht Sache des Prüfgremiums, das die Wirtschaftlichkeitsprüfung durchführt: die Prüfungsstelle Ärzte Bayern.

Sie ist seit Ende 2009 unabhängig von der KV. Trägerin der Prüfungsstelle wie auch der "Widerspruchsinstanz", des Beschwerdeausschusses, ist die Arbeitsgemeinschaft Prüfung Ärzte Bayern. Deren Vertragspartner sind die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen.

In sämtlichen Prüfverfahren ist es erforderlich, eine detaillierte Stellungnahme zu den Praxisbesonderheiten einzureichen. Das haben Sie getan. Mit diesen Argumenten muss sich die Prüfungsstelle im Prüfbescheid auseinandersetzen.

Erster Prüfbescheid kann erst nach mehreren Quartalen eintreffen

Bis zum Erhalt des ersten Prüfbescheids, in dem – im Idealfall – detailliert dargestellt wird, welche Beanstandungen seitens der Prüfgremien erfolgten, können mehrere Quartale verstreichen.

Erst dann können Sie – vorhandene Wirtschaftlichkeitspotenziale vorausgesetzt – Ihre Behandlungsweise entsprechend umstellen. Dies müssen die Prüfgremien berücksichtigen.

Ein weiteres Problem betrifft die Homogenität der Fachgruppe. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung ist in Bayern eine reine Durchschnittsprüfung nach § 15 der Prüfungsvereinbarung: Die Fallwerte der geprüften Praxis werden dem durchschnittlichen Fallwert der Prüfgruppe gegenübergestellt.

Praxissituation individuell berücksichtigen und nicht pauschal beurteilen

Bezogen auf einzelne Gebührenordnungspositionen spricht man ab einer Überschreitung von 100 % von einem "offensichtlichen Missverhältnis". In einer Stellungnahme bzw. spätestens im Widerspruch zum Prüfbescheid gilt es insbesondere für die inhomogene Fachgruppe der Allgemeinärzte, eine Homogenisierung im Wege des Spezialvergleiches zu fordern.

Verlangen Sie, dass Ihre Praxissituation nicht mit pauschalen Textbausteinen abgeurteilt wird, sondern dass man sich detailliert und einzelfallbezogen mit den Gegebenheiten Ihrer Praxis auseinandersetzt.

Grundsätzlich sollte man in Stellungnahmen und Widerspruchsbegründungen ausführlich ausführen, dass die eigene Praxis nicht mit dem Durchschnitt der Fachkollegen verglichen werden kann. Prüfungsstelle und Beschwerdeausschuss sind verpflichtet, sich mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen und dies im Bescheid auch darzulegen.

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