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Urteil: Bundessozialgericht zu Beratung vor Regress

Autor: Rüdiger Brauer, Foto: Thinkstock

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Gilt der Grundsatz „Beratung vor Regress“ (§ 106 Abs. 5e SGB V) auch für Richtgrößenprüfungen, die vor Einführung der Regelung begonnen wurden?

Fallen Ärzte, die schon in Vergangenheit einen Regress hatten, noch unter den Schutz dieser Neuregelung? Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Fragen jetzt leider zulasten der Ärzte entschieden.

Nach § 106 Abs. 5e SGB V muss bei einer erstmaligen Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % zunächst eine Beratung des betroffenen Arztes erfolgen, wenn die Überschreitung nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Ein Regress kann daher erstmals für einen Prüfzeitraum nach der erfolgten Beratung festgesetzt werden.

Beratung vor Regress: Der 26.10.2012 ist wichtig

Zusätzlich nahm der Gesetzgeber mit Wirkung zum 26. Oktober 2012 in § 106 Abs. 5e Satz 7 SGB V auf, dass dies auch für Verfahren gilt, die am 31. Dezember 2011 noch nicht abgeschlossen waren.

Einhellige Meinung war und ist, dass hierunter nicht Klageverfahren vor den Sozialgerichten, sondern nur Prüfverfahren fallen, die noch nicht vom Beschwerdeausschuss per Widerspruchsbescheid abgeschlossen wurden. Das Thema Beratung vor Regress wurde allerdings durch Prüfgremien und Sozialgerichte unterschiedlich ausgelegt.

Durch das Sozialgericht Düsseldorf, das SG Stuttgart und das Landessozialgericht Baden-Württemberg wurde die Ansicht vertreten, dass der Beratungsvorrang auch auf "Altfälle" anzuwenden ist. Es entspreche dem gesetzgeberischen Willen, dass alle zum 31.12.2011 noch offenen Regressverfahren unter diese Regelung fallen sollen.

Festsetzung eines Regresses in der Vergangenheit? Kein Beratungsvorrang!

Das BSG entschied nun, dass der Beratungsvorrang nur für Verfahren gilt, in denen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses nach dem 25.10.2012 ergangen ist. Für vor diesem Datum beendete Verfahren gilt der Beratungsvorrang nicht.

Die Frage, ob der Beratungsvorrang auch auf Ärzte anwendbar ist, gegen die schon in der Vergangenheit ein Regress festgesetzt wurde, hat das BSG verneint.

Der Schutz des § 106 Abs. 5e SGB V entfällt also für alle Ärzte, die bereits in früheren Prüfzeiträumen ihr Richtgrößenvolumen um über 25 % überschritten haben und dies nicht mit Praxisbesonderheiten begründen konnten.

Der Beratungsschutz bleibt für Ärzte, deren bisher abgeschlossene Verfahren ohne Regresse endeten. Was lässt sich aus diesen Entscheidungen schlussfolgern?

Praxisbesonderheiten detailliert darlegen

Erstens: Wenn ein Prüfverfahren vor dem 26. Oktober 2012 vom Beschwerdeausschuss per Erlass eines Widerspruchsbescheides abgeschlossen war, hat man mit der Klage nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn man darlegen kann, dass im Verfahren geltend gemachte Praxisbesonderheiten nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Zweitens: In Prüfverfahren sollten schon am Anfang möglichst viele Praxisbesonderheiten detailliert dargelegt werden, dann hat man gute Ausgangspositionen für Widerspruch und Klage und benötigt keine formellen Argumente mehr.


Bundessozialgericht vom 22. Oktober 2014, Az.: B 6 KA 3/14 R und B 6 KA 8/14 R
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