Restless Legs Welche Alternativen gibt es?
Antwort: Das Restless-Legs-Syndrom (RLS) ist mit einer Prävalenz von 3 – 10 % häufig. Die exakte Pathogenese/Pathophysiologie ist unbekannt. Meist liegt ein primäres (idiopathisches, genetisches oder sporadisches) RLS vor. Ein RLS kann durch einwirkende Faktoren verstärkt oder ausgelöst werden. Hierzu zählen dialysepflichtige Niereninsuffizienz, Eisenmangel, Polyneuropathien, Schwangerschaft, Medikamente (u. a. Citalopram, Clozapin, Haloperidol, Mirtazapin, L-Thyroxin, Lithium, Fluoxetin, Flunarizin). Zu bedenken ist, dass bei symptomatischen Formen des RLS die zugelassenen Medikamente für das primäre RLS "Off-Label" sind.
Hilft die „Standardtherapie“ mit L-Dopa oder Dopaminagonisten nicht, dann sollte im ersten Schritt die Diagnose RLS überprüft werden. Die wesentlichen klinischen Kriterien sind [1]:
- Drang, die Extremitäten (Beine > Arme) bzw. den Körper zu bewegen.
- Schmerzende Missempfindungen, deren Art von den Patienten bisweilen schwer in Worte zu fassen ist.
- Vorgenannte Beschwerden sind in Ruhe vorhanden bzw. intensivieren sich, besonders zu Beginn der Ruhephase.
- Sie lassen sich lindern durch Bewegung und Tätigkeiten mit vermehrter Konzentration.
- Eine Zunahme der Beschwerden ist gegen Tagesende und während der Nacht vorhanden.
Sind diese Kriterien erfüllt, dann sollten im zweiten Schritt mögliche Differenzialdiagnosen überprüft werden. Insbesondere folgende Fragen sollten geklärt sein:
- Liegt eine Polyneuropathie, Radikulopathie oder Myelopathie vor?
- Besteht eine Schwangerschaft?
- Liegt ein Eisenmangel (Hb?, Erythrozyten?, Ferritin?) vor?
- Ist eine metabolische Störung ausgeschlossen (Nierenfunktionswerte, Vitamin B12/Methylmalonsäure im Spontanurin, Elektrolyte, Folsäure, TSH, BSG/CRP, Diabetes, Alkohol)?
- Eingenommene Medikamente (siehe oben)?
- Ist ein Parkinson-Syndrom ausgeschlossen?
- Besteht eine Depression?
- Besteht ein Schlaf-Apnoe-Syndrom?
- Augmentation (= zunehmende Intensität der RLS-Beschwerden trotz Therapie, d. h. auch tagsüber Symptome, Zunahme in den Abendstunden/nachts, Ausbreitung der Symptome, Dosiserhöhung nötig)?
Für die Therapie ergeben sich dann im dritten Schritt folgende Konsequenzen:
- Liegt ein symptomatisches RLS vor, dann Behandlung der Komorbidität plus ggf. Medikament für RLS (s. u.).
- In Anlehnung an die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (www.dgn.de) ist die Therapieempfehlung für das RLS (dort sind auch die empfohlenen Dosierungen aufgeführt) wie folgt. Die Dosierungen sind danach zu bemessen, wie schwer die Symptomatik des RLS ausgeprägt ist.
Wirksam (1. Wahl): Non-Ergot-Dopaminagonisten (Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin), L-Dopa/Benserazid (Cabergolin wirksamer), Gabapentin (nur kleine Studien, Off-Label)
Wirksam (2. Wahl): Ergot-Dopaminagonisten (Cabergolin, Pergolid; kardiale/pulmonale Fibrose beachten)
Möglich wirksam ("Off-Label" beachten): Oxycodon, Carbamazepin, Valproat, Bromocriptin, Eisen i. v. bei dialysepflichtiger Niereninsuffizienz
Ungesichert, aber möglich wirksam (Studien laufen teilweise; Off-Label): Tilidin, Tramadol, Clonazepam, Zolpidem, Topiramat, Amantadin, Magnesium, Folat, Kombination Opiat + Dopaminagonist, Pregabalin
Augmentation: Bei L-Dopa/Benserazid umstellen auf Dopaminagonist, bei Dopaminagonist umstellen auf Opiat
Zu den gestellten Fragen:
Da es unterschiedliche Medikamente zur Parkinsontherapie gibt, kann ein Wechsel in dieser Gruppe sinnvoll sein (z. B. Wechsel von L-Dopa/Benserazid auf Dopaminagonisten/oral oder transdermal).
Opiate haben eine mögliche Indikation bei Kontraindikation oder Augmentation von bzw. unter L-Dopa/Dopaminagonisten: Bei geringer ausgeprägten RLS-Symptomen kurz wirkendes Opiat (z. B. Tilidin), bei stark ausgeprägter Symptomatik retardiertes Tilidin oder Oxycodon. In jedem Fall sollte die Indikation und Aufklärung schriftlich dokumentiert und der Patient über mögliche Nebenwirkungen (auch Abhängigkeit) detailliert unterrichtet werden.
Zentrale Nebenwirkungen (diese sind allerdings für jedes Medikament unterschiedlich, z. B. Hypersomnolenz bei Dopaminagonisten) können bei jedem der genannten Medikamente auftreten, auch die Interaktionen mit möglicherweise weiteren eingenommenen Medikamenten sind hierbei zu berücksichtigen.▪
Literatur1) Allen, RP, Picchietti, D, Hening, WA, Trenkwalder, C, Walters, AS, Montplaisir, J: Restless Legs syndrome: diagnostic criteria, special considerations, and epidemiology. Sleep Medicine 2003; 4: 101 – 119
2) Oertel, WH, Trenkwalder, C: Restless-legs-Syndrom. In Oertel, WH, Deuschl, G, Poewe, W: Parkinson-Syndrome und andere Bewegungsstörungen. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2012, S. 463 – 494
Prof. Dr. med. Reinhard Rohkamm
Neurologische Klinik
Nordwest-Krankenhaus Sanderbusch
26452 Sande
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (16) Seite 58
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.