Anzeige

Wer meldet Behandlungstermine zur eiligen Vermittlung an die KV?

Autor: Michael Reischmann, Foto: fotolia/pix4U

Anzeige

Die KV-Terminservicestellen bleiben das Aufregerthema beim Versorgungsstärkungsgesetz. Bei einer Veranstaltung der KV Hessen wollten die Ärztinnen und Ärzte von ihrem KV-Chef und dem hessischen Sozialminister wissen, wie das in den Praxen mit den dringlichen, zusätzlichen Facharztterminen genau ablaufen soll.

Bleibt das Gesetz im Zeitplan, müssen die KVen im nächsten Jahr Terminservicestellen organisiert haben. Patienten mit Überweisung, die innerhalb der nächsten vier Wochen keinen Termin bei ihrem Wunsch-Facharzt bekommen, dürfen dort  Unterstützung erwarten. Dann können sie die Reise zum vermittelten Arzt antreten, auf das Angebot pfeifen oder zulasten des KV-Budgets ein Krankenhaus aufsuchen.

Gesetzgeber macht der Selbstverwaltung Druck

Eine Frauenärztin wollte es vom KV-Podium genau wissen: Sie und ihre Kollegin versorgen jeweils 1000 Patientinnen pro Quartal, die Termine sind bis August vergeben, zusätzliche, drängende Fälle werden notfallmäßig in den Praxisablauf eingebunden. Aber wie soll das künftig mit weiteren von der KV vermittelten Fällen klappen? Und wenn ihre Kollegin in zwei Jahren in Ruhestand geht und der Sitz wegen „Überversorgung“ gestrichen wird – wer kümmert sich  dann um deren Patientinnen?

Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) hatte hierzu mehrere Antworten parat. Einmal: Im VSG ist vorgesehen, dass Patienten mit Überweisungen vermittelt werden sollen – bei Gynäkologen und Augenärzten bedarf es allerdings keiner Überweisung. 

Und prinzipiell: Die Selbstverwaltung habe schon lange nach § 75 SGB V die Aufgabe, eine „angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung der fachärztlichen Versorgung“ sicherzustellen. Da es hier nach wie vor hake – was auch die Beschwerdeschreiben von Patienten (= Wählern) ans Ministerium zeigten –, handele eben jetzt der Gesetzgeber.

Grüttner stört zwar, dass wichtige Definitionen (was ist eine Bagatellerkrankung, was eine zumutbare Entfernung?) gesetzlich unbestimmt bleiben. Doch den Schwarzen Peter für den Anlass der Terminstellen –  die Serviceunterschiede der Praxen bei gesetzlich und privat Versicherten – gibt er an die Ärzteschaft zurück.

Praxisaufkauf: Politik folgt dem Rat der Weisen

Und vom „Soll“-Aufkauf von Praxissitzen in überversorgten Regionen erwartet der Minis­ter keinen Massen-Effekt: Dank der Ausnahmen und wenn sich die Ärzte im Zulassungsverfahren einig sind, werde es eher selten zu Schließungen kommen. Prinzipiell verteidigt er aber den Ansatz. Die Politik habe hier eine Idee des Sachverständigenrates fürs Gesundheitswesen aufgegriffen. Es sei eine neue Maßnahme, deren Wirkung abzuwarten sei.

In Frankfurt Praxis schließen, damit im Knüll eine entsteht?

KV-Vorstand Frank Dastych beruhigen diese Worte nicht. Wenn die Politik von dieser Regelung nicht viel erwartet, warum nimmt sie dann die negative PR-Wirkung bei den Niedergelassenen in Kauf, fragt sich der HNO-Arzt. Außerdem: Falls die Ärzteschaft bei der Niederlassungssteuerung allzu stark bremst, werde das den Druck im Kessel erhöhen – mit der Folge, dass in der nächsten Legislaturperiode aus der „Soll“- eine „Muss“-Regelung wird. Dabei werde kein Praxisaufkauf in Frankfurt eine neue Praxis im Knüllwald bringen. „Ich verstehe es nicht, muss es aber als KV umsetzen.“

Dastych befürchtet ferner, dass die Einrichtung der Terminservicestellen eine „künstliche Nachfrage“ erzeugt, weil dort nicht die Patienten anrufen werden, bei denen es wirklich pressiert. Denn drängende Fälle würden ja heute schon auf kollegia­lem Weg schnell weiterbehandelt.

Dastych bezweifelt zudem, dass sich Hausärzte auf Diskussionen mit ihren Patienten einlassen werden, ob diese eine mehr oder eine weniger dringliche Überweisung benötigen. Jeder Patient gehe – auch bei Bagatellerkrankungen – davon aus, dass es bei ihm eilt. Ein Arzt aus dem Auditorium meinte: Durch die Terminservicestellen würden die Hausärzte in ihrer Kompetenz „entmündigt“.

Wie die KV die Terminvermittlung genau organisieren wird, konnte Dastych noch nicht skizzieren. Die KV sei darauf angewiesen, dass sich Ärzte freiwillig mit verfügbaren Terminen bei ihr melden. Extra Geld gebe es dafür nicht. Vielmehr kos­teten die Terminservicestellen Geld, das dann anderswo fehle.

Der KV-Chef vermisst auch eine politische Diskussion zu überzogener Anspruchshaltung und der Eigenverantwortung von Patienten. Mit dem Stichwort „Kostenerstattungssystem“ rannten die Ärzte beim Minister allerdings offene Türen ein. Er plädiere schon seit drei Jahrzehnten dafür, sagte Grüttner.

Eher ein ärztliches Qualitäts- als ein Quantitätsproblem?

Dr. Michael Karner, Bevollmächtigter des Vorstands der AOK Hessen, gab zu bedenken, dass die Versicherten sehr wohl unterscheiden zwischen der direkten Wahl eines Arztes, dessen Qualitäten sie vertrauen, und einer Vermittlung. Dr. Karner berichtete vom Leserbrief einer Diabetikerin, die die Erfahrung gemacht hatte, dass es besser sein kann, lange auf einen Termin bei einem beliebten Arzt zu warten, als zu einem Arzt zu gehen, der noch viele Termine freihat. Er sieht das Versorgungsproblem eher bei der Qualität als bei der Quantität.

Dass es durchaus ein Kapazitätsproblem gibt, unterstrich dagegen ein Rheumatologe: Auch bei den Kliniken warte ein Patient sechs Monate auf einen Behandlungstermin. Wie dort zusätzliche Patienten zeitnah ambulant betreut werden sollen, sei ihm schleierhaft. „Wir haben in der Rheumatologie mangels Masse keine Verschiebungsmöglichkeiten.“

Auf die Frage aus dem Auditorium, ob Hessen nicht mehr Medizinstudienplätze einrichten könne, antwortete der Minister, dass nicht die Zahl der Studienbeginner der Engpass seien, sondern nach dem Physikum die Ausbildungskapazitäten in den Kliniken („Wie viele Leute können bei der Visite am Krankenbett stehen?“).

Anzeige