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„Wir haben gesiegt“ - die hausarztzentrierte Versorgung ist etabliert

Autor: Michael Reischmann, Foto: DHÄV

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Der Hausärzteverband hat es innerhalb von zwölf Jahren geschafft, Hausarztverträge zu einem flächendeckenden Angebot zu entwickeln und dafür eine Infrastruktur aufzubauen, die die Hausärzte von der KV unabhängiger macht.

2003 beschloss die Delegiertenversammlung des Deutschen Haus­ärzteverbandes, alternativ zur KV mit den Kassen eigene Wege zu gehen – Schlagwort Tarifautonomie. Jetzt, zwölf Jahre später, schauen die Verantwortlichen auf eine erfolgreiche Arbeit zurück –  auch wenn es etliche Aufs und Abs im Ringen mit Kassen, KBV und KVen, dem Gesetzgeber und der IT-Industrie gab.

Die Idee, sich vom KV-System unabhängiger zu machen und direkt Verträge mit den Krankenkassen zu schließen, entstand 1999 bei einer Fahrradtour in der Eifel, erinnert sich Bundesverbandschef Ulrich Weigeldt. Es folgte viel harte Arbeit – politisch wie wirtschaftlich.

„Ich habe mit neun Leuten angefangen, jetzt sind es 300“, sagt Eberhard Mehl, Hauptgeschäftsführer des Verbandes und Vorstandsvorsitzender der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft (HÄVG). Neben der HÄVG und deren Rechenzentrum gibt es das Institut für haus­ärztliche Fortbildung (u.a. für die selbst entwickelte „Verah“), die Stiftung Perspektive Hausarzt, die Wirtschaftsgesellschaft, die Pro Versorgung AG und eine Verlagsbeteiligung.

Anders als in der KV, wo die Haus­ärzte darum kämpfen müssten, um in der Vertreterversammlung eine Parität von 50:50 zu erhalten, gehörten ihnen bzw. den Landesverbänden am HÄVG-Diamanten 100 %, so Mehl. Er appelliert an die Landesverbände, die noch auf Add-on-Verträge mit KV-Beteiligung setzen, ebenfalls zur HÄVG zu stehen.

Vertragslosen Zustand wird es in der HzV nicht mehr

Verbandschef Weigeldt vergleicht die Entwicklung der HzV und ihrer Komponenten (IT, Verah, Verbindung mit 73c-Facharztverträgen) mit dem Problemlösungsdenken in „Silicon Valley“. Bundesweit knapp 3,7 Mio. Versicherte und 16 000 Haus­ärzte haben sich der HzV angeschlossen, über 6000 MFAs das Verah-Curriculum absolviert.

Seit dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. März 2015 sei auch klar, dass Klagen gegen einen Schiedsspruch zur HzV keine aufschiebende Wirkung haben, so Weigeldt. Einen vertragslosen Zustand werde es folglich in der HzV nicht mehr geben.

„Wir haben gesiegt“, lautet das Fazit von Dr. Berthold Dietsche, Landesverbandschef in Baden-Württemberg, dem HzV-Musterland. Selbst der ehemalige KBV-Chef und Kritiker der HzV-Bereinigungsverträge, Dr. Andreas Köhler, habe in seiner jetzigen Funktion als Ehrenpräsident des Spitzenverbandes der Fachärzte (SpiFa) die HÄVG als richtig erkannt.

Die Führung des Hausärzteverbandes erwartet, dass der SpiFa ähnliche Dienstleistungsstrukturen wie die HÄVG aufbauen wird – vor allem mit Blick auf die ambulante spezialfachärztliche Versorgung.

Der SpiFa darf sich nach dem Beitritt der Berufsverbände der Internisten (BDI), Anästhesisten und ZNS-Fächer „größter fachärztlicher Dachverband“ nennen und wird jetzt vom Vorsitzenden des NAV-Virchow-Bundes, Dr. Dirk Heinrich (in Nachfolge von KBV-Chef Dr. Andreas Gassen), geführt.

Hinter „Grundversorgung“ lauert der „Barfußarzt“

Missfallen bereitet dem Haus­ärzteverband allerdings, dass „von Teilen der KBV“ die Gliederung von haus- und fachärztlicher Versorgungsebene infrage gestellt wird. Der Plan sei wohl, die Honorartrennung in „grundversorgend“ und „nicht grundversorgend“ zu überführen, meint Weigeldt. Schließlich bringe KBV immer wieder ins Spiel, dass grundversorgende Fachärzte in einer allgemeinen Primärversorgung einspringen könnten, wenn es nicht genug Hausärzte gibt.

Weigeldt ärgert sich nicht nur über die leicht negative Konnotation des Begriffs Grundversorgung, ähnlich wie bei Grundrente oder Grundlohn – „dahinter lauert dann wieder der Barfußarzt“. Er befürchtet ferner, dass durch „Sonderbestimmungen“ im Bundesmantelvertrag der Umfang der hausärztlichen Medizin geschmälert werden könnte. Seiner Ansicht nach ist die hausärztliche Versorgung im § 73 Abs. 1a SGB V ausreichend definiert.

Weigeldt fragt sich zudem, ob der KBV „jeder Realitätssinn abhanden gekommen“ ist oder ob sie das Förderprogramm für Allgemeinmedizin ad absurdum führen möchte. Die geforderte verpflichtende ambulante Weiterbildung für alle Fachärzte samt eines Förderprogramms für alle sei nicht finanzierbar.

Möglicherweise wird künftig die Diskussion lauter werden, inwieweit Ärzte in Weiterbildung durch erbrachte und honorierte Leistungen in der Praxisphase ihr Gehalt selbst erwirtschaften können – obwohl sie noch keinen Facharztstatus bieten.

Allgemeinmedizin vom Schattendasein befreien

Erfreut ist Weigeldt darüber, dass sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe dafür ausspricht, innerhalb von fünf Jahren sämtliche medizinischen Fakultäten mit einem Lehrstuhl für Allgemeinmedizin auszustatten. Diese müssten aber auch mit Allgemeinärzten und nicht mit Internisten besetzt werden.

Sobald überall Allgemeinmedizin gelehrt werde, könne die Approbationsordnung geändert werden. Der Hausärzteverband will ein Pflichtquartal Allgemeinmedizin im PJ und wünscht sich, dass Allgemeinmedizin ein verpflichtendes Prüfungsfach im Staatsexamen wird – in der Hoffnung, dass sie dadurch ihr Schattendasein beendet und sich mehr Studierende dafür interessieren.

Mit Blick auf den Deutschen Ärztetag im Mai und einen dortigen Antrag zur Reform der Gremienstruktur fordert die Delegiertenversammlung des Hausärzteverbandes die Bundesärztekammer auf, sicherzustellen, dass die Akademie für Allgemeinmedizin erhalten bleibt.

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