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DRK-Kliniken Berlin: Wird das Verfahren eingestellt?

Geld und Steuern , Praxismanagement Autor: Hermann Müller, Foto: dpa

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Im Prozess wegen bandenmäßigen Betruges gegen vier frühere Geschäftsführer und leitende Ärzte der Berliner DRK Kliniken könnte eine Wende bevorstehen.

Wie Lisa Jani, Sprecherin des Landgerichts Berlin, auf Anfrage von Medical Tribune bestätigte, wird die Einstellung des im April eröffneten Verfahrens gegen vier frühere Geschäftsführer und leitende Ärzte der Berliner DRK Kliniken „erörtert“. Das Verfahren sei unterbrochen, das Gericht befinde sich in Urlaub.

Jani bestätigte damit Informationen von Medical Tribune, wonach die Staatsanwaltschaft dem Vorschlag der Strafkammer des Landgerichts gefolgt sei, den Prozess nach § 153a Strafprozessordnung einzustellen. Zu den Gründen und Auflagen (Zahlung von Geldbeträgen) wollte sich die Sprecherin nicht äußern. Jetzt müssten die vier Angeklagten entscheiden, ob sie das Angebot annehmen oder nicht.

Manager und Chefarzt in Untersuchungshaft

Rückblick: Es war eine der größten Razzien im Gesundheitswesen der vergangenen Jahre. Im Juni 2010 durchsuchte ein Großaufgebot der Polizei die Berliner DRK-Kliniken und private Wohnräume. Die Gründe: Verdacht auf Abrechnungsbetrug und Körperverletzung. Im Fokus der Ermittlungen: Mehrere Geschäftsführer, leitende Ärzte und die Vorsitzende des Aufsichtsrates. Zwei leitende Manager und ein Chefarzt der Radiologie landeten für knapp drei Wochen in Untersuchungshaft.

Nach umfangreichen Ermittlungen – weitere Durchsuchungen fanden im Herbst 2009 und September 2010 statt – legte die Staatsanwaltschaft im Februar 2012 eine Anklageschrift gegen sechs Beschuldigte vor. Doch erst im Dezember letzten Jahres beschloss das Landgericht Berlin die Eröffnung des Hauptverfahrens. Kurz zuvor war die Anklage gegen zwei frühere Geschäftsführer fallen gelassen worden. Nach § 153a Strafprozessordnung (geringe Schuld, kein öffentliches Interesse) und gegen die Zahlung von 8000 bzw. 2000 Euro. Gegen die frühere Aufsichtsratsvorsitzende waren die Ermittlungen schon 2011 eingestellt worden.

Angeklagte hätten "betrügerisches Abrechnungssystem installiert"

Seit April müssen sich vier Angeklagte – zwei frühere Geschäftsführer und zwei ehemals leitende Ärzte – wegen „bandenmäßigem Betrug“ vor Gericht verantworten. Insbesondere in der Gründungsphase der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), so die Staatsanwaltschaft, hätten die Angeklagten zur Steigerung des Konzernprofits ein betrügerisches Abrechnungssystem installiert und davon in Form von Gehältern und Boni profitiert. Der Schaden der KV Berlin zwischen 2004 und 2010 soll rund 14 Millionen Euro betragen haben.

Die Verteidigung bestritt die schweren Vorwürfe und ging in die Offensive. Niemand bestreite, dass die abgerechneten ärztlichen Leistungen erbracht worden waren. Der Vorwurf, Patienten seien nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst versorgt worden, stehe nicht mehr im Raum. Den Verdacht der Körperverletzung, ein Grund für Ermittlungen und Durchsuchungen, hatte die Staatsanwaltschaft fallen gelassen. Den Angeklagten des „bandenmäßigen Betrugs“ zu bezichtigen, sei absurd, da die Geschäftsführung und der ebenfalls beschuldigte Chefarzt total zerstritten und Absprachen nicht möglich gewesen seien.

Das Verfahren, das noch bis Oktober dauern sollte, drehte sich letztlich um die Frage: Wurden die formalen Voraussetzungen zur Abrechnung ärztlicher Leistungen mit der KV Berlin eingehalten?

Auslöser ist die sogenannte „Sechs-Monats-Frist“ nach dem Verkauf einer Arztpraxis an ein MVZ. Nach den Vorgaben der KV Berlin musste der Verkäufer seinen Sitz in das MVZ verlegen und dort noch sechs Monate als angestellter Arzt praktizieren. Dagegen konnte ein niedergelassener Arzt bei einem Verkauf an einen Kollegen seine Tätigkeit sofort beenden. Der Nachfolger musste die Praxis lediglich sechs Monate am bisherigen Standort weiterführen.

Viele niedergelassene Ärzte lehnten eine sechsmonatige Weiterbeschäftigung in einem MVZ ab, und die DRK Kliniken fanden mithilfe einer Berliner Kanzlei eine Lösung. Die Verkäufer wurde zwar für sechs Monaten im MVZ angestellt, teilweise aber nur zum Schein („Phantomärzte“). Damit waren die formalen Voraussetzungen der KV Berlin erfüllt.

Abrechnung über "Phantomärzte"

In einem zweiten „Geheimvertrag“ wurden die Ärzte ganz oder teilweise von der Praxistätigkeit befreit. Dieser Zusatzvertrag sei weder der KV noch dem Zulassungsausschuss vorgelegt worden. Als Folge wurden ambulante Leistungen teilweise von Ärzten aus den DRK-Kliniken erbracht, darunter auch Assistenzärzte, die keine KV-Zulassung besaßen. Abgerechnet worden seien die Leistungen über die zugelassenen „Phantomärzte“ des MVZ. Zu ähnlichen und anderen Tricks sollen auch andere MVZ gegriffen haben, diese gerieten aber nicht in die Fänge der Justiz.

Die Sechs-Monats-Frist hätten zwar manche KVen eingeführt, räumte der Verteidiger eines Angeklagten ein, doch gebe es dafür keine gesetzliche Grundlage. Somit sei die KV Berlin nicht getäuscht worden.

Sollte das Verfahren eingestellt werden, erscheinen Entscheidungen der DRK-Kliniken Berlin aus 2010 in einem anderen Licht: Warum hat sich der Aufsichtsrat von beiden Geschäftsführern kurz nach der Verhaftung und gegen Zahlung einer Abfindung per Aufhebungsvertrag getrennt? Der Aufsichtsrat hatte Pläne und Entscheidungen der Geschäftsführung, die zu den Ermittlungen und der Anklage führten, abgenickt.

Stehen jetzt Schadensersatzforderungen ins Haus?

Auch beim Geld stellen sich Fragen: War die Vereinbarung mit der KV Berlin über die Rückzahlung von elf Millionen Euro voreilig und die Schließung von MVZ strategisch klug? Die KV, die zunächst 14 Millionen Euro zurückgefordert hatte, hätte ohne Einigung in jedem einzelnen Fall nachweisen müssen, dass Leistungen zu Unrecht abgerechnet worden waren. Der Aufwand wäre immens, das Ergebnis unsicher gewesen, meinen Experten. Die zurückgezahlten elf Millionen Euro sollen dem Deckungsbetrag der damals von den DRK-Kliniken Berlin abgeschlossenen Geschäftsführer-Haftpflichtversicherung entsprechen. Wollte hier jemand auf Nummer sicher gehen?

Die Verfahrenseinstellung rückt offenbar näher und Beobachter in Berlin fragen sich: Hat der Elf-Millionen-Deal für unmittelbar Beteiligte ein teures Nachspiel wie Schadenersatzforderungen?

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