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Haaranalyse: teurer Humbug für Patienten

Praxismanagement , Patientenmanagement Autor: Dr. Dorothea Ranft, Foto: MT-Grafik

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Die in der forensischen Medizin bewährten Haaranalysen werden inzwischen immer häufiger auch von Laien eingesetzt – etwa um Gesundheitsstörungen auf Unterversorgung mit Spurenelementen zurückzuführen. Doch bei der Interpretation der Resultate ist Vorsicht geboten, noch gibt es keine Richtwerte.

Ein Beispiel aus den USA zeigt, welche Folgen nicht validierte Haar­analysen haben können: In Florida fielen 30 Feuerwehrmänner durch erhöhte Antimonkonzentrationen im Haar auf. Eine potenziell brisante Konstellation, denn in den USA tragen Millionen Feuerwehrmänner Uniformen, die als Brandschutzmittel Antimon-Oxid enthalten. In diesem Fall sorgten normale Antimonbefunde im Urin rasch für Klarheit, schreibt das Team um Dr. Daniel Fabian von der Viollier AG in Allschwil.

Periodensystem wird pauschal abgeklappert

In der Rechtsmedizin hat sich die Haaranalytik bereits als unverzichtbare und verlässliche Methode etabliert. Auch zum Nachweis von Drogen-, Medikamenten- und Alkoholkonsum gibt es inzwischen international anerkannte Richtlinien. Haaranalysen eignen sich z.B. zum Einschätzen der Fahreignung nach Führerscheinentzug oder zur Kontrolle von Abstinenzauflagen. Eine Alkoholingestion lässt sich anhand zweier direkter Marker (Ethylglucuronid und Fettsäureethylester) im Haar detektieren.

Eine Korrelation zwischen eingenommener Wirkstoffdosis und im Haar abgelagerter Menge ist allerdings bisher nur für wenige Substanzen gut dokumentiert, berichten die Schweizer Kollegen. Zudem liefert die Haaranalyse immer nur einen Durchschnittswert des untersuchten Zeitraums. Ob dieser durch tägliche Einnahme oder einzelne Konsumexzesse zustande kommt, bleibt unklar. Außerdem dauert es nach Absetzen der Droge 10 bis 14 Tage, bis ein Haar ohne Substanzeinlagerung die Kopfhaut erreicht.

Inzwischen wird die Haaranalyse auch zur Abklärung einer toxischen Metallbelastung oder eines Spurenelementmangels offensiv beworben. Patienten, die eine entsprechende Ursache ihrer Beschwerden vermuten, wenden sich hilfesuchend an Ärzte, Apotheker und Untersuchungslabors.

Statt gezielter Analysen erfolgt dabei vielfach ein Multielement-Screening, das einen großen Teil des Periodensystems umfasst und anfällig für falsch-positive Ergebnisse ist, kritisieren die Autoren. Die Aussagekraft derartiger Tests ist somit erheblich eingeschränkt. "Die Haaranalyse wird zur Beurteilung der individuellen Belastung mit Metallen wie auch Versorgung mit Spurenelementen allgemein abgelehnt", konstatieren die Schweizer Autoren.

Die Haare können jederzeit von außen mit Metallen und Spurenelementen kontaminiert werden, z.B. durch Kosmetika. Außerdem führt die Vielzahl der getesteten Parameter zu einer unüberschaubaren Menge von Kontaminationsquellen. Exogene Metallionen können beispielsweise tief in die Haarsubstanz eindringen.

Jedes Labor verwendet eigene Referenzwerte

Eine sog. Speziesanalytik, welche die Bindungsformen berücksich­tigt, ist bisher nur für wenige Metalle wie etwa Quecksilber möglich. So stammt im Haar gefundenes Methylquecksilber fast ausschließlich aus dem Verzehr von Fischprodukten. In vielen kommerziellen Haarmineralanalysen ist eine solche Spezialtestung jedoch nicht vorgesehen, erklären die Experten.

Zudem kann man vom Elementgehalt der Haare nicht einfach auf die Belastung bzw. Versorgung des Körpers schließen. Dazu muss die Korrelation zwischen der Konzentration im Haar und Blut-, Urin- sowie Zielorganspiegel bekannt sein. Diese ist jedoch bisher nur für Methylquecksilber und organische Bleiverbindungen bekannt. Problematisch ist, dass es bisher keine anerkannten Referenzwerte gibt – jedes Labor verwendet seine eigenen.

Somit kann man bisher nur in Ausnahmefällen von der Haarmineralanalyse auf Belastungen und Mangelerscheinungen im Körper schließen, resümieren die Autoren. Sinnvoll ist z.B. die Bestimmung von Arsen bei vorherigem Kontakt mit anorganischen Arsenverbindungen oder von Blei bei Belastung mit organischen Bleiverbindungen. Auch Methylquecksilber nach Konsum von Fischprodukten lässt sich nachweisen, nicht jedoch eine Amalgamkontamination, weil diese durch anorganische Quecksilberverbindungen ausgelöst wird.


Quelle: Fabian D et al. Schweizerisches Medizin-Forum 2016; 16: 466–471 

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