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Pflegenotstand Wer kümmert sich um die wachsende Zahl Pflegebedürftiger?

Niederlassung und Kooperation Autor: Cornelia Kolbeck/ Michael Reischmann

Der jährliche Steuerzuschuss sollte den Ausgaben folgen. Der jährliche Steuerzuschuss sollte den Ausgaben folgen. © iStock/shapecharge
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Bis zum Jahr 2030 werden mehr als 180.000 Pflegekräfte fehlen, warnt die Barmer. Ein Grund dafür ist: Bis dahin wird es rund sechs Millionen Pflegebedürftige geben – über eine Million Betroffene mehr, als bisher angenommen wurde.

Heute fehlen tausende Pflegekräfte und bis 2030 werden es etwa 81.000 Pflegefachkräfte, 87.000 Pflegehilfskräfte mit und 14.000 ohne Ausbildung sein. Der Gesamtbedarf an Pflegebeschäftigten wird 2030 fast 1,1 Millionen betragen. Das berichtet der Autor des Barmer-Pflegereports, Professor Dr. Heinz Rothgang, Universität Bremen. „Den Arbeitskräftemangel zu bekämpfen, muss ein zentrales Anliegen werden.“ Der Pflegeberuf müsse deutlich attraktiver werden. Daher sei es richtig, geteilte Dienste abzuschaffen und den Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten einzuführen. Zudem müsse mehr getan werden, um die Belastungen dieser anstrengenden Arbeit abzufedern.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) rät zu einer „deutlich vereinfachten und wesentlich beschleunigte Zuwanderung internationaler Kräfte sowie kurzfristig mehr Lehrkräfte und bessere Rahmenbedingungen für die Pflegeschulen, um mehr ausbilden zu können“.

Wie aus dem Barmer-Pflegereport hervorgeht, werden in weniger als zehn Jahren knapp drei Millionen Pflegebedürftige ausschließlich von ihren Angehörigen gepflegt werden – rund 630.000 mehr als 2020. Zudem wird insgesamt eine Million Menschen vollstationär und werden 1,17 Millionen durch ambulante Pflegedienste versorgt werden. Dies entspricht einem Anstieg um gut 200.000 Betroffene (+26 %) in Pflegeheimen und 165.000 Personen, die ambulant betreut werden (+16 %).

„Deutschland ist auf dem besten Wege, in einen dramatischen Pflege­notstand zu geraten“, warnt Barmer-Chef Professor Dr. Christoph Straub. Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP enthalte einige richtungsweisende Vorhaben. „Ob das ausreicht, können wir heute nicht wissen. Aber wir müssen alles tun, damit keine prekäre Situation eintritt.“

So müssten die Bundesländer endlich ihrer Pflicht nachkommen, die Investitionskosten für stationäre Pflegeeinrichtungen zu übernehmen. Dadurch würde eine Entlastung bei den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen erreicht werden. Um eine finanzielle Überforderung der Pflegebedürftigen zu vermeiden, sollten zudem die Leistungsbeträge der sozialen Pflegeversicherung einmalig angehoben und dann regelmäßig dynamisiert werden. Das für den Jahreswechsel geplante Anheben der Pflegesachleistungsbeträge sowie das Einführen eines Leistungszuschlages bei vollstationärer Pflege seien erste wichtige Schritte. Der ab 2022 vorgesehene jährliche Steuerzuschuss von einer Milliarde Euro solle im Gleichschritt mit den jährlichen Ausgaben der Pflegeversicherung steigen.

Prof. Rothgang schätzt, dass die Ausgaben für Pflege ohne weitere Leistungsverbesserungen, die gleichwohl nötig seien, von 49 Mrd. Euro im Jahr 2020 auf 59 Mrd. Euro 2030 steigen werden. Wie hoch wird der Pflegebeitrag 2030 sein, wenn es keine kostendämpfenden Reformen gibt? Barmer-Chef Prof. Straub verweist auf die Variablen: neben dem Beitragssatz sind das die Steuermittel des Bundes und die Übernahme von Investitionskosten durch die Länder. Außerdem sei denkbar, private und gesetzliche Pflegeversicherung zusammenzuführen. Im Koalitionsvertrag ist von der eventuellen Einführung einer freiwilligen paritätischen Pflegevollversicherung die Rede. „Ich glaube, es ist heute zu früh, darüber zu spekulieren, wie ein Beitragssatz in der Pflegeversicherung im Jahr 2030 aussehen wird.“

Medical-Tribune-Bericht

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