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Alte Praxis längst aufgelöst: Steuerprüfung in neuer Einzelpraxis erlaubt?

Autor: Stbr. Christoph Scheen, Foto: Thinkstock

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Leser fragen, MT-Experten antworten: Darf das Finanzamt in den Räumen einer neu organisierten Nachfolgepraxis prüfen?

Drs. V. G. und B. S.

Fachärzte für Allgemeinmedizin:

Mit Jahreswechsel 2009/2010 wurde eine 15-jährige hausärztliche Gemeinschaftspraxis aufgelöst und als Einzelpraxis weitergeführt. Mitte 2013 führte das zuständige Finanzamt beim Steuerberater eine interne Betriebsprüfung der Praxis­unterlagen für das Jahr 2008 und zusätzlich noch extern in den Räumen der Nachfolgepraxis durch.

Dies, obwohl die Einzelpraxis infolge Umgestaltung der Räumlichkeiten sowie von deren Ausstattung nichts mehr mit der ehemaligen Gemeinschaftspraxis zu tun hat. Unsere Frage hierzu: Ist diese Vorgehensweise rechtens? Kann gegen die externe Betriebsprüfung nachträglich Einspruch eingelegt werden?

Christoph Scheen,

Dipl.-Kaufmann Steuerberater aus Köln:

Grundsätzlich gilt: Bei offenen Steueransprüchen sind die Festsetzungs- und Zahlungsverjährungen zu beachten. So können Steuern nur innerhalb einer vierjährigen Frist festgesetzt werden.

Diese Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung/Steueranmeldung eingereicht wird, ­spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.

Die Zahlungsverjährungsfrist beträgt fünf Jahre und beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist.

Aufgrund der vorstehenden zeitlichen Verjährungsregelungen können Steuern folglich auch nach der gesellschaftsrechtlichen Beendigung einer Gesellschaft festgesetzt werden. Insoweit ist es dem Finanzamt erlaubt – innerhalb der vorstehenden Fristen –, eine Außenprüfung anzuordnen.

Betriebsprüfung: Unerheblich, wo Akten 
gesichtet werden

Zunächst wäre zu prüfen, ob der Adressat der Prüfungsanordnung richtig bezeichnet wurde. Zum Beispiel kann eine aufgelöste Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ein zutreffender Adressat sein.

Hat hingegen der jetzige Einzelpraxisinhaber das Gesellschaftsvermögen der Gemeinschaftspraxis ohne Liquidation übernommen, so ist er ungeachtet des Umbaus bzw. der Renovierung der Praxisräume Gesamtrechtsnachfolger dieser Gesellschaft. Die Prüfungsanordnung ist daher in diesem Falle an ihn zu richten.

Weiterhin ist zu prüfen, an welchem Ort die Außenprüfung stattzufinden hat. In § 200 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung werden als Ort zur Durchführung der Außenprüfung die Geschäftsräume des Steuerpflichtigen bestimmt.

Sind Geschäftsräume vorhanden, ist dort zu prüfen; ein Auswahlermessen steht der Finanzverwaltung in solchen Fällen dann nicht zu. Sind Geschäftsräume nicht vorhanden, ist – mit Zustimmung des Steuerpflichtigen – in den Wohnräumen oder an Amts Stelle zu prüfen. Die Räume des Bevollmächtigten (i.d.R. des Steuerberaters) können auf Wunsch des Steuerpflichtigen gewählt werden.

Nichts spricht gegen 
Auswertung der Unterlagen

Als Fazit ist nach Schilderung der Sachlage festzuhalten:
Soweit der Steuerpflichtige (hier: der/die Gesellschafter der vormaligen Gemeinschaftspraxis) die gemäß der richtig adressierten Prüfungsanordnung vorzulegenden Unterlagen aktiv zur Verfügung gestellt hat, ist der Ort der Übergabe der Unterlagen für eine Auswertung nicht entscheidend.

Insbesondere kann meiner Meinung nach aus der aktiven Übergabe der Unterlagen außerhalb des Büros des Steuerberaters nicht geschlossen werden, dass die Akten nicht ausgewertet werden dürfen.

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