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Arzt und Staatsanwältin praktizierten "Sex gegen Tabletten"

Praxismanagement , Patientenmanagement Autor: RA Christoph Klein, Foto: fotolia

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Wann ist von einem strafbaren Missbrauch eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses auszugehen? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu jüngst zwei Entscheidungen gefällt, die für die Beklagten zum Freispruch führten. Der Kölner Fach­anwalt für Strafrecht Christoph Klein stellt die Urteile vor.

Ein Facharzt für Psychiatrie und Neurologie arbeitete als forensischer Gutachter und lernte in dieser Funktion die Nebenklägerin kennen, die zu dieser Zeit als Richterin tätig war. Die alkohol- und benzodiazepam-abhängige Frau litt an diversen psychischen Beeinträchtigungen und war im Laufe der Zeit in die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft München gewechselt.

Aufgrund abnehmender Leistungsfähigkeit fühlte sie sich unter Druck und war der Überzeugung, nicht mehr ohne die Einnahme von Benzodiazepinen arbeiten zu können. In dieser Situation wandte sie sich an den Arzt.

Facharzt als Tablettengeber gezielt angebaggert

Das Landgericht (LG) München II stellte insoweit fest, dass sie von Anfang an entschlossen war, dessen Zuneigung auszunutzen, um ihn durch eine sexuelle Beziehung als "Tablettengeber zu gewinnen". Dabei ging sie davon aus, dass der sie behandelnde Therapeut diese nicht mehr verschreiben würde.

Sie begab sich anlässlich einer akuten Angstattacke in die Behandlung durch den Angeklagten und es kam wie geplant in der Folgezeit zu einer sexuellen Beziehung. Nach den Feststellungen des Landgerichts machte der Arzt sich bei der Aufnahme der intimen Beziehung bewusst zunutze, dass die Frau sich in einem psychisch angeschlagenen Zustand befand und dass sie für die von ihr begehrten Benzodiazepine von ihm als ärztlichem Rezeptgeber abhängig war. Das Landgericht verurteilte den Arzt zu einer Bewährungsstrafe.

Promovierte Juristin agierte auf Augenhöhe mit dem Arzt

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hob diese Entscheidung mit Beschluss vom 29.6.2016 (Az.: 1 StR 24/16) auf und sprach den angeklagten Arzt frei. Ein Missbrauch im Sinne des § 174c StGB setze voraus, dass der Arzt eine sich aus dem Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis ergebende Autoritäts- oder Vertrauensstellung ausnutze. Dabei komme es entscheidend auf die konkrete Art und Intensität des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses an.

Es sei gerade Ausdruck der sexuellen Selbstbestimmung und nicht ein Missbrauch derselben, wenn die Nebenklägerin den Angeklagten für ihre Zwecke instrumentalisiert und dieser ihr Angebot "Sex gegen Tabletten" annimmt. Die Frau handelte frei von krankheitsbedingten Einschränkungen ihrer freien Willensentschließung (eine solche wäre z.B. eine verfestigte Benzodiazepam­abhängigkeit zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme gewesen).

Außerdem, so der BGH, habe hier der typische Autoritätsvorsprung des Arztes gefehlt. Die promovierte Juristin sei als in verantwortungsvoller Position tätige Staatsanwältin dem Arzt mindestens auf Augenhöhe begegnet und sei dessen Vorgaben keineswegs blind gefolgt.

Ebenfalls mit Freispruch endete ein Verfahren beim 4. Strafsenat des BGH (Beschluss vom 2.5.2016; Az.: 4 StR 133/16). Der angeklagte Psychologe hatte die zwölfjährige Tochter der Nebenklägerin behandelt. Er informierte diese in monatlichen Bezugspersonengesprächen über den Therapieverlauf. Im Rahmen eines solchen Gespräches teilte die verheiratete Nebenklägerin dem Angeklagten mit, dass sie selbst unter einer leichten Form des Asperger-Syndroms leide, aber keine Therapie aufgenommen hatte.

Die Frau und der Psychologe trafen sich in der Folgezeit außerhalb der Bezugspersonengespräche, um gemeinsam an einer Informationsbroschüre für Jugendliche mit der Diagnose Asperger-Syndrom zu arbeiten. Dabei entwickelte sich aus beider Sicht ein Liebesverhältnis mit sexuellen Kontakten, das aber vom Angeklagten beendet wurde, als der Ehemann der Frau davon erfuhr.

Sexuelle Selbstbestimmung bleibt ohne Sanktionen

Der BGH bestätigte den Freispruch des Landgerichts mit der Begründung, dass die Nebenklägerin dem Angeklagten nicht durch die Teilnahme an den Bezugspersonengesprächen im Sinne des § 174c StGB anvertraut sei. Soweit die Eltern nicht selbst in die Therapie eingebunden seien, dienten Gespräche über deren Verlauf bei einem minderjährigen Patienten nur der Informationsbeschaffung. Sexuelle Kontakte außerhalb dieser Gespräche seien als Ausdruck der sexuellen Selbstbestimmung der Eltern nicht sanktionsfähig.

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