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Fahrtenbuch Finanzamt darf Dokumentation nicht übertreiben

Praxismanagement , Geld und Steuern Autor: Insa Stoidis-Connemann, Steuerberaterin

Wie pingelig muss ein Fahrtenbuch geführt werden, um vom Finanzamt akzeptiert zu werden? Wie pingelig muss ein Fahrtenbuch geführt werden, um vom Finanzamt akzeptiert zu werden? © N. Theiss – stock.adobe.com
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Ein rechtskräftiges Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen liefert Munition für alle Steuerzahler, die sich gegen „Auswüchse“ bei der Beurteilung ihres Fahrtenbuchs durch die Finanzverwaltung wehren müssen.

Jeder, der aus Nachweisgründen ein Fahrtenbuch für einen Firmenwagen geführt hat, kennt die Situation: Das Finanzamt meckert über kleinste Abweichungen, verwirft unter Umständen das gesamte Fahrtenbuch und setzt bei der Einkommensteuer monatlich 1 % des Bruttolistenpreises als geldwerten Vorteil an. Wenn nur wenige Privatfahrten anfallen, wird das ein teurer Spaß.

Das Problem ist: Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 EStG ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Das Niedersächsische Finanzgericht hat in seinem jüngst veröffentlichten Urteil allerdings einige „Richtlinien“ festgeschrieben.

  1. Kleinere Mängel und Ungenauigkeiten führen nicht zum Verwerfen des Fahrtenbuchs und zum Anwenden der 1-%-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind. Im Streitfall ging es u.a. um Abkürzungen für Kunden und Fahrtziele, fehlende Ortsangaben bei Übernachtungen im Hotel sowie Differenzen bei den Kilometerangaben zwischen Fahrtenbuch und Routenplaner.
  2. Dem Finanzamt ist zuzumuten, fehlende Angaben, etwa zu Hotelübernachtungen, aus vorliegenden Reisekostenunterlagen zu ermitteln, sofern es sich nur um vereinzelte Fälle handelt.
  3. In der Regel müssen die Angaben zu den Kilometerständen sofort, das heißt am Ende jeder Fahrt, notiert werden. Nur Präzisierungen des beruflichen Zwecks dürfen ggf. noch innerhalb einer Woche nachgeholt werden.
  4. Im Hinblick auf die stark typisierende 1-%-Regelung dürfen die Anforderungen an das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuchs aus verfassungsrechtlichen Gründen – es droht eine Übermaßbesteuerung – nicht überspannt werden.

Konstante Angaben waren verdächtig, abweichende auch

Das Finanzamt wies darauf hin, dass in den Fahrtenbüchern keinerlei Umwege oder Tankstopps aufgezeichnet waren. Bei längeren Autofahrten wichen die Kilometerangaben hin und zurück ohne Erklärung voneinander ab. Als Entfernung zwischen dem Wohnort und der Firma seien in allen drei Fahrtenbüchern immer 20 km angegeben worden. Laut Routenplaner betrage die Entfernung aber 21 km, sodass sich dadurch Abweichungen ergeben müssten.

Auch hier gaben die Richter Kontra: Geringfügige Kilometerabweichungen zwischen Fahrtenbuch und Routenplaner seien unschädlich, da unterschiedliche Routenplaner zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen könnten und auch die gewählte Route zu berücksichtigen sei. Steuerzahler seien nicht verpflichtet, die kürzeste Verbindung zu wählen, falls andere Strecken verkehrsgünstiger sind. Grober Richtwert: Erläuterungen sind erst bei einer Abweichung von der kürzesten Route um mehr als 20  % erforderlich.

Stets gleiche Kilometerangaben für gleiche Strecken, ein zu ordentliches Schriftbild oder das Fehlen von Gebrauchsspuren beim Fahrtenbuch sprachen nach Ansicht des Finanzamtes dafür, dass das Fahrtenbuch nicht zeitnah geführt wurde. Das Gegenargument: Man schreibt eben immer sehr ordentlich und verwendet im Fahrtenbuch immer denselben Kugelschreiber, weil beides zusammen im Fahrzeug liegt.

Das Verfahren zeigt jedenfalls: Um hohen Nachzahlungen des Fiskus entgegenzutreten, sollte nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren überlegt werden, ob sich nicht noch der Gang zum Finanzgericht lohnen könnte.

Quelle: Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 16.06.2021, Az.: 9 K 276/19, rechtskräftig

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