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Hausarzt: Die KV hat mein MVZ verdorben

Autor: Michael Reischmann

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Ärzte, die als Unternehmer neue Wege beschreiten wollen, müssen einen langen Atem haben. Der Landauer Hausarzt Ortwin Bitzer berichtet, wie ärgerlich und teuer es werden kann, ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zu gründen.

„Bauwirtschaft Sauwirtschaft“, sagt Johannes Eisinger. Der Ingenieur spielt auf die rauen Sitten im Immobiliengeschäft an: Gestern wurde auf den beschlossenen Hauskauf angestoßen, heute platzt der Notartermin. Aber bei den Ärzten, ergänzt Eisinger, da gehe es noch schlimmer zu. Eisinger ist Geschäftsführer des Reha-Zentrums Herxheim bei Landau und Chef von 45 Angestellten (darunter zwei Ärzte). Er ist außerdem Geschäftspartner von Bitzer, dem Gründer und Besitzer des Herxheimer MVZ „Move Südpfalz“ – das auf der anderen Straßenseite des Reha-Zentrums liegt, bei dem der Arzt Mitgesellschafter ist. Die beiden Freunde hatten im Frühjahr 2004 eine Idee: Das GKV-Modernisierungsgesetz bot die neue Möglichkeit, fachübergreifende MVZ mit angestellten Ärzten zu gründen; da wäre es doch sinnvoll, wenn in Nachbarschaft zum Reha-Zentrum – dessen Kunden zu etwa 60 % <ls />Rückenbeschwerden haben – ein MVZ mit einem Orthopäden und einem Arzt für Physikalische Therapie und Rehabilitative Medizin (PRM) Patienten versorgen könnte.

„Platzhalter“ sicherte<ls />freien Orthopädensitz

Deshalb nahmen die beiden Pfälzer im Mai 2004 Kontakt zur KV in Neustadt auf. Dass der Planungsbezirk Landau, zu dem die 10 000-Einwohner-Gemeinde Herxheim gehört, zu 110 % mit Orthopäden versorgt, also für Zulassungen gesperrt war, störte insoweit nicht, da ein Landauer Orthopäde zum 30.6.2004 altersbedingt seinen Sitz abgeben musste – und er ihn gerne für 30 000 Euro an Bitzer verkaufte. Offiziell wurde der Sitz von dem Orthopäden Dr. P. erworben, der im September 2004 den Zulassungsbescheid für die Praxisnachfolge erhielt. Dr. P. war bis dahin Angestellter von Eisinger, nämlich Ärztlicher Leiter des Reha-Zentrums. Da es aber noch kein zugelassenes MVZ gab, konnte Bitzer den Sitz nicht direkt dafür erwerben. Also fungierte Dr. P. als „Platzhalter“, der den Sitz an das zu gründende MVZ abtreten wollte, wo dann ein junger angestellter Orthopäde für ihn nachrücken sollte. Über diese Pläne seien die Zulassungsberater der KV informiert gewesen, sagen Bitzer und Eisinger. Die Zusammenarbeit habe auch gut geklappt; gemeinsam habe man den MVZ-Antrag und die Unterlagen der anzustellenden Ärzte geprüft. Alles schien in bester Ordnung – bis am 10. Dezember 2004 die KV-Beraterin bei Eisinger anrief: wegen „Problemen“ mit Dr. P.s Zulassung.

Stress wegen Frist für<ls />laufenden Praxisbetrieb

Im Bescheid stand nämlich, dass dieser innerhalb von drei Monaten – d.h. spätestens bis zum 13.12. – seine Praxistätigkeit aufnehmen musste, sollte die Zulassung nicht automatisch enden. Nun hatte aber der Zulassungsausschuss seine Entscheidung über die Zulassung des MVZ Move zum 1.1.2005 auf den 15.12.2004 festgelegt. Nach Rücksprache mit den KV-Beratern am 13.12. bemühten sich Eisinger, Bitzer und Dr. P. flugs einen eingeschränkten Praxisbetrieb in den ärztlichen Behandlungsräumen des Reha-Zentrums aufzunehmen. Es half nichts mehr: Am 15.12. sei vor dem Zulassungsausschuss gar nicht mehr über das MVZ gesprochen worden, sondern es wurde nur noch Dr. P. vorgehalten, keine ordnungsgemäße Kassenarztpraxis innerhalb der Drei-Monats-Frist unterhalten zu haben, berichten Eisinger und Bitzer. Was die beiden erbost: Nicht die Krankenkassen seien gegen das MVZ gewesen, sondern die Ärztevertreter: ein Orthopäde in Verbandsfunktion und der Allgemeinarzt Dr. Alois Knoth, als Wahllistenführer von Medi Pfalz zwei Monate zuvor in den hauptamtlichen Vorstand der neuen KV Rheinland-Pfalz gewählt. Der Orthopäde, so beteuern beide, sei anschließend zu einem vor der Tür wartenden Landauer Orthopäden gegangen, „um ihm zu gratulieren“. Dieser hatte vorher einen Zulassungsantrag auf einen frei werdenden Orthopädensitz für eine Gemeinschafts<->praxis gestellt. Eisinger und Bitzer glauben hier nicht an Zufall: Schließlich hätten sich zuvor Medi-Ärzte in einem Schreiben an Dr. Knoth gegen das MVZ ausgesprochen – sicherlich auch, weil Bitzer und Eisinger einigen Medi-Kollegen auf die Füße getreten waren.

Praxissitzverlegung – <ls />nie korrekt beantragt?

Also standen die beiden am 16. und 23.12. auf der Fußmatte des KV-Geschäftsführers in Neustadt. Dieser, so schildern sie es, habe Beratungsfehler eingeräumt und Hilfe angeboten: 1. sollten sie Widerspruch einlegen, und 2. müsse die Kassenarztpraxis betrieben werden. Also wurde in Herxheim losgelegt: Praxisinhaber Dr. P. (mit 41 000 Euro von Bitzer bei der Stange gehalten) ließ sich von dem jungen Kollegen und einer Fachärztin für PRM vertreten. Rund 700 Scheine wurden im 1. Quartal abgerechnet – aber nie von der KV bezahlt. Denn im März teilte der Beschwerdeausschuss mit: Dr. P.s Zulassung ist futsch; Begründung: Die Praxissitzverlegung von Landau ins 15 km entfernte Herxheim sei nicht ordnungsgemäß beantragt und somit nicht genehmigt worden. Bitzer betont dagegen, dass Dr. P. schon im Juli 2004 KV und Zulassungsausschuss die Sitzverlegung ins spätere MVZ mit Begründung schriftlich angekündigt habe und von KV-Seite keine Einwände dagegen vorgebracht worden waren. Fakt ist: Die beiden Investoren saßen ohne MVZ und Einnahmen, aber mit Mietausgaben und Zinsen für einen 250 000-Euro-Kredit da. Die beiden angestellten Ärzte und Dr. P. waren abgesprungen, drei Helferinnen entlassen, die Bank verlangte zusätzliche Sicherheiten. Eisinger und Bitzer wurden daraufhin bei Gesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD) in Mainz vorstellig, deren Ministerium sich auch um ein Gespräch der beiden mit KV-Vorstand Dr. Knoth bemühte. Erfolglos. Erfolgreich war dagegen ein Zulassungsantrag für ein neu zugeschnittenes MVZ mit einem angestellten Facharzt für PRM als Ärztlichem Leiter und einem angestellten Neurochirurgen als dessen Stellvertreter. Seit 2. Mai 2006 arbeiten die beiden im MVZ, das besser als erwartet anlief. Doch den orthopädischen Facharztsitz vermissen Bitzer und Eisinger weiterhin. Der Hausarzt will nun per Klage vor dem Sozialgericht Mainz versuchen, den Sitz zurückzubekommen. Außerdem will er die KV dazu bringen, ihm Kosten und entgangene Einnahmen zu ersetzen, die durch die vorgeworfene Falschberatung entstanden seien.

KV-Vorstand widerspricht<ls />„absurden“ Vorwürfen

Dr. Knoth widerspricht der zum Teil „absurden“ Darstellung des Sachverhalts. Der paritätisch besetzte Zulassungsausschuss, bei dessen Sitzung er am 15.12.04 als Vertreter eingesprungen war, entscheide allein auf Grund von Regularien – und diese seien eben hier nicht eingehalten worden. „Wir können Gesetze nicht auf Wunsch auslegen“, weist er auch die Vorstellung zurück, durch Schreiben von Ärzteorganisationen würden solche Entscheidungen beeinflusst. Außerdem stellt Dr. Knoth in den Gesprächsprotokollen der KV-Mitarbeiter keinerlei Fehlberatung fest, und eine Konstruktion mit einer „Praxishülse“ (Dr. P.) sei sowieso unzulässig. Zur anschließenden Orthopädensitzvergabe will er sich wegen des Klageverfahrens nicht äußern – und deshalb dies auch nicht mit Bitzer und Eisinger erörtern.

Kassen sind interessiert

Hausarzt Bitzer lässt aber nicht locker. Vielleicht hilft auch die von Ulla Schmidt angekündigte Liberalisierung des Vertragsarztrechts. Außerdem haben schon Krankenkassen Interesse an Integrationsverträgen mit dem MVZ geäußert. Die braucht man offenbar auch, denn der 52-jährige Bitzer gibt offen zu: „Ich weiß nicht, ob das MVZ noch zu meinen Lebzeiten in die Gewinnzone kommt.“

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