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Hungrig darauf, endlich wieder Arzt zu sein

Gesundheitspolitik

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Unter den Flüchtlingen, die hier leben und arbeiten möchten, sind auch Ärzte. In Hessen wird ihnen mithilfe eines Vorbereitungskurses für die Kenntnisprüfung zur Erlangung der Approbation der Start ins Berufsleben leichter gemacht.

"Unser Ziel ist es, Ärztinnen und Ärzten, die ihr Studium außerhalb Deutschlands absolviert haben, den Sprung in den Arbeitsmarkt zu erleichtern", sagt Attila Vurgun. Er ist der medizinisch-fachliche Leiter des Instituts "berami", das sich auf die Beratung bei der Anerkennung im Ausland erworbener Bildungsabschlüsse spezialisiert hat.

Die Durchfallquote bei der von der Landesärztekammer Hessen abgenommenen Kenntnisprüfung liegt derzeit bei durchschnittlich 70 %. Um das zu ändern, entstand die Idee, zusammen mit der Kammer ein Kurscurriculum zu entwerfen, das die ausländischen Ärzte sprachlich und fachlich auf die Prüfung vorbereitet. Die Untergruppe "Medizinische Heilberufe" des hessischen Asylkonvents begleitet das Projekt inhaltlich.

Kombiniert: Vermittlung und Kenntnis-Auffrischung

"Die Kombination der Vermittlung von deutscher Fachsprache mit dem Auffrischen von Fachkenntnissen in den prüfungsrelevanten Fächern ist bundesweit einmalig", sagt Vurgun. Der Ärztekammer war zudem wichtig, dass in dem Kurs neben Deutschkenntnissen auch die Kommunikation mit Patienten, Angehörigen und ärztlichen Kollegen sowie die interprofessionelle Zusammenarbeit mit Angehörigen nicht ärztlicher Medizinberufe vermittelt werden.

Im April 2016 starteten die ersten 43 Human- und Zahnmediziner mit dem Programm. Seither drücken sie an fünf Tagen in der Woche von 9 bis 16 Uhr die Schulbank. Weitere knapp 60 Ärztinnen und Ärzte warten darauf, in einen der Folgekurse einsteigen zu können.

80 % der derzeitigen Kursteilnehmer sind Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Irak und Pakistan. Die übrigen kommen aus Ländern wie Indien, Jordanien oder aus dem arabischen Raum sowie der EU. Es handelt sich dabei sowohl um Allgemeinärzte als auch Chirurgen, Internisten, Orthopäden, Urologen oder Gynäkologen. Unterrichtet werden sie überwiegend von ehrenamtlich tätigen Ärztinnen und Ärzten. Die Arbeitsagenturen oder Jobcenter bieten eine hundertprozentige Finanzierung über Bildungsgutscheine an.

Der Spaß am Unterrichten und die Neugier auf fremde Menschen und Kulturen sowie die Art und Weise, wie in anderen Ländern Medizin praktiziert wird, haben Natalie Mann-Borchert dazu bewogen, für das Projekt tätig zu werden. Zwei bis drei halbe Tage pro Woche steht die Ärztin für Frauenheilkunde und ärztliche Psychotherapeutin als Dozentin zur Verfügung. Sie ist begeistert vom Engagement und Wissensdurst der Kursteilnehmer.

"Die Kolleginnen und Kollegen sind medizinisch alle hoch qualifiziert und regelrecht hungrig darauf, zu lernen und wieder als Ärztin oder Arzt zu arbeiten", so Mann-Borchert. Im Unterricht gehe es daher weniger darum, medizinische Inhalte zu vermitteln, als vielmehr darum zu kommunizieren und die Teilnehmer zu begleiten. Erstaunt ist sie über die zumeist bereits guten Deutschkenntnisse. Voraussetzung für den Kurs ist das B1-Sprachlevel.

Alle Teilnehmer erhalten zudem die Möglichkeit, zweieinhalb Monate lang in einer Klinik oder Arztpraxis den Arbeitsalltag kennenzulernen. Für die Stellenvermittlung arbeitet "berami" mit der Ärztekammer und dem Klinikverbund Hessen zusammen.

Die abschließende Prüfungsvorbereitung erfolgt in simulierten Prüfungssituationen, die per Video aufgezeichnet und gemeinsam mit den Teilnehmern ausgewertet werden. Zudem bietet das Projekt ein Einzelcoaching durch eine Psychologin an. "Sie hilft den Teilnehmern beispielsweise dabei, ihre Prüfungs-angst zu überwinden, mit familiären Belastungen umzugehen oder sich auf ein Bewerbungsgespräch vorzubereiten", so Vurgun.

Projekt sucht Paten, die Kursteilnehmer betreuen

Die Teilnehmer können in ihrer Freizeit mit ehrenamtlichen Sprachpaten Deutsch üben und die deutsche Kultur besser kennenlernen. Einer der Paten ist Dr. Christian Klepzig. Der Allgemeinarzt aus Offenbach betreut gleich zwei Kurs­teilnehmer – eine Ärztin aus Syrien und einen Arzt aus der Ostukraine. "Wenn wir die Integration geflüchteter Menschen in Deutschland schaffen wollen, dann brauchen wir viel mehr Patenschaften", appelliert er an seine Kollegen.

Der Leiter des Landesprüfungs- und Untersuchungsamtes im Gesundheitswesen, Christof Diefenbach, erachtet die Maßnahme nicht nur für die ausländischen Ärzte als sehr hilfreich. Die Verfahrensvorbereitung sei auch für das Amt eine Erleichterung – "und das Gesundheitswesen gewinnt gut ausgebildete Fachkräfte, die oft Berufserfahrung mitbringen".


Quelle: Medical-Tribune-Recherche

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