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KV: Gespräche bei jeder Versichertenpauschale zugesetzt

Autor: Anke Thomas, Foto: Thinkstock

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Weil viele Ärzte im vierten Quartal 2013 kaum Gesprächsziffern angesetzt haben, hat die KV Baden-Württemberg automatisch zu jeder Versichertenpauschale die Nr. 03230 hinzugesetzt! Drohen diesen Ärzten nun Plausi-Prüfungen?

Die nachträglich Mitte Dezember letzten Jahres von der KBV beschlossene Änderung, dass bei gleichzeitiger Abrechnung der Nrn. 03000 und 03230 nur 10 Minuten Prüfzeit statt der ursprünglichen 20 Minuten ins Profil fließen, wurde von den Hausärzten kaum bemerkt.

Deshalb haben viele Kollegen aus Furcht vor Plausi-Prüfungen oder weil eben eine Mindestzeit von 20 Minuten nicht realisiert wurde, Gespräche zumindest abrechnungstechnisch links liegen gelassen. Die KV Niedersachsen hat Ärzten deshalb die Gelegenheit gegeben, ihre schon abgelieferten Abrechnungen für das 4. Quartal 2013 nachzubessern und komplett neu einzureichen (MT berichtete).

KV Baden-Württemberg über Vorgaben der KBV hinweggesetzt

Einen besonderen Weg ist die KV Baden-Württemberg (BW) gegangen, die den Hausarzt-EBM von Anfang an sehr kritisch sah. Obwohl die Gespräche ganz klar budgetiert sind (durchschnittlich bei jedem zweiten Patienten ein Gespräch), hat die KV kurzerhand jedem Hausarzt doppelt so viele Gespräche zugestanden bzw. diese sogar automatisch eingetragen.

Zudem hat sie dieses Budget entgegen der Vereinbarung von KBV und Krankenkassen sozusagen außer Kraft gesetzt. Cornel-Andreas Güss, Leiter der KV-Honorarabteilung, erklärt den eingeschlagenen Weg damit, dass die Hausärzte von den rückwirkenden EBM-Änderungen erst im Januar erfahren hätten.

Auch die KV habe hier aufgrund der späten Beschlüsse nicht mehr viel ausrichten können. Und da der Bewertungsausschuss die Fehler im EBM offensichtlich selbst erkannt habe, sei eine Korrektur durch die KVen quasi gewollt.

Gut gemeinte Zusätze für Ärzte ein Eigentor?

Aber wie ist es juristisch einzuschätzen, dass die KV ihren Hausärzten im 4. Quartal 2013 doppelt so viele Gespräche zugesteht und diese auch noch selbst ansetzt? Was, wenn diese Hausärzte deshalb in eine Plausibilitätsprüfung geraten?

Rechtlich können die Haus­ärzte nicht belangt werden, schätzt Rechtsanwältin Stefanie Pranschke-Schade. Denn der Zusatz der Gesprächsziffer kann ja erst erfolgt sein, nachdem der Hausarzt seine unterschriebene Abrechnung abgegeben hat.

Auch eine Plausibilitätsprüfung wegen der vielen abgerechneten Gespräche und infolge davon einer Überschreitung des Tagesprofils (die Versichertenpauschale zählt zum Quartalsprofil, das Gespräch geht ins Tagesprofil ein) darf Ärzten nicht angelastet werden, so Expertin Pranschke-Schade.

Ganz zu schweigen davon, dass den Ärzten Abrechnungsbetrug vorgeworfen werden könnte, da die Nr. 03230 ja auch nur bei Vorliegen einer lebensverändernden Erkrankung angesetzt werden darf.

Das aber sieht KV-Mann Güss anders: Was eine lebensverändernde Erkrankung sei, könne letztendlich nur ein Gericht klären. Und juristisch sei das Vorgehen der KV überprüft und als korrekt befunden worden.

Den Ball an die Hausärzte zurückgespielt

Denn die Hausärzte seien über den nachträglichen Zusatz der Gesprächsziffern schriftlich informiert worden. Wenn die Hausärzte nicht antworten bzw. nichts einzuwenden haben, sei die KV BW damit rechtlich aus dem Schneider.

Auch die Gefahr, dass Ärzte in eine Plausibilitätsprüfung geraten könnten, schmettert Güss ab. Denn die automatischen Zusätze der KV hätten keinen Einfluss auf das Zeitkonto bzw. würden nicht mitgezählt. Somit würde die KV auch dazu beitragen, die Ärzte zu entkriminalisieren.

Was die hohe Anzahl an Gesprächen angeht, hat Experte Güss ebenfalls keine Bedenken. Schließlich würden diese innerhalb des RLV bezahlt und somit hätten die Kassen keinen Schaden zu tragen. Warum sollten Kassen also aktiv werden, fragt Güss.

Wo kein Kläger, da kein Richter

Wenn es Absprachen mit Kassen gibt, wird es wohl keinen Kläger geben, meint  Pranschke-Schade. Ob die „einzigartige“ Vorgehensweise der KV BW rechtlich für die Ärzte bedenklich sein könnte, kann nur nach Einsichtnahme des KV-Anschreibens an die Ärzte beurteilt werden, so Pranschke-Schade.

Nachträglich wird es Ärzten nicht mehr möglich sein, nachzuvollziehen, ob ein (lebensveränderndes) Gespräch stattgefunden hat oder nicht. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte Ende Dezember deutlich gemacht: Gespräche sind budgetiert. Wer mehr abrechnet, bekommt diese Redezeit nicht bezahlt.

Dieser klaren Einschränkung kann sich die KV BW nicht mehr widersetzen und hat den Hausärzten mitgeteilt, dass das Gesprächs-Budget seit dem 1. Januar 2014 eingehalten werden muss. Dann erfolgt logischerweise kein automatischer Zusatz der Ziffer mehr.

Zu der beschriebenen Vorgehensweise der KV BW äußert sich die KBV neutral: „Auf der Bundesebene wird der honorarpolitische Rahmen gesetzt. Die Umsetzung erfolgt föderal vor Ort. Wir kommentieren generell nicht Maßnahmen einzelner KVen“, antwortet Dr. Roland Stahl, Pressesprecher der KBV auf MT-Anfrage.

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