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KVen wollen Regresse mehr als vier Jahre zurück aussprechen

Autor: Anke Thomas, Foto: thinkstock

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Um Geld einzutreiben, zeigen sich KVen mitunter sehr kreativ. Derzeit beschäftigt sich die Kanzlei Broglie, Schade & Partner mit Forderungen von zwei KVen, die Urologen rückwirkend bis ins Jahr 2006 (!) per Regress zur Verantwortung ziehen wollen. Die Anwälte raten: Betroffene Ärzte sollten Widerspruch einlegen.

Im Fall, den die Rechtsanwaltskanzlei derzeit bearbeitet, hatten Urologen Beschneidungen abgerechnet. Sie hatten dabei aber zum Teil versäumt, eine Bilddokumentation zu erstellen bzw. einen histologischen Befund anzufordern. Diese obligaten Anforderungen zur Abrechnung der Leistung stehen auch nicht in der eigentlichen Gebührenordnungsposition des EBM, sondern in der Präambel des zugehörigen Kapitels. Insofern könnten hier Fehler bei der Abrechnung vorgekommen sein, sagt Rechtsanwältin Isabell Böhm.

Kein Vertrauensschutz bei unvollständigen Angaben?

Allerdings belässt es die KV nicht bei diesem Vorwurf. Sie möchte nicht nur für vier Jahre, sondern für zehn Jahre – rückwirkend bis ins Jahr 2006 – eine Überprüfung durchführen bzw. Regresse aussprechen.

Die KV beruft sich dabei auf § 45 Abs. 2 SGB X. In dem heißt es auszugsweise:
„Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstig­te erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte soweit nicht berufen, soweit … der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat ...“

Dass KV-Juristen diesen Paragrafen generell zur Aushebelung von Ausschlussfristen benutzen wollen, ohne das Verschulden im Einzelfall nachzuweisen, ist für die Wiesbadener Anwälte nicht nachvollziehbar. Dies könne nur in besonderen Fallkonstellationen gelten, die bereits für einzelne Fälle gerichtlich entschieden wurden, die jedoch nicht die Urologen betreffen. Die Kanzlei hat bereits Widerspruch eingelegt und den Ablauf der Ausschlussfrist geltend gemacht, aber die KV lässt nicht locker.

Damit durchkommen wird die KV in dem Fall nicht, ist sich Anwältin Böhm sicher. Das Beispiel zeige aber deutlich, wie KVen einfach Dinge behaupten, um Ärzte einzuschüchtern und Geld zurückzufordern. Da bereits andere KVen in Regressverfahren ebenso wie im aktuellen Fall der Urologen argumentiert haben, rät Böhm allen Ärzten: Legen Sie Widerspruch ein!

Sollte die KV allen guten juristischen Einwänden zum Trotz Recht behalten, könnten Regresse praktisch rückwirkend über Jahrzehnte hin ausgesprochen werden.

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