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Mit 66 Jahren ein MVZ gestartet

Niederlassung und Kooperation Autor: Michael Reischmann

Hausarzt Rainer M. Graeter hat die Medi-Idee der "Arztpraxen 2020" flugs umgesetzt. Hausarzt Rainer M. Graeter hat die Medi-Idee der "Arztpraxen 2020" flugs umgesetzt. © privat
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Anfang 2017 ist das erste MEDI-MVZ gestartet. Gegründet von dem 66-jährigen Allgemeinarzt Rainer Michael Graeter. Was hat ihn zu diesem Schritt bewegt?

Hausarzt Graeter kennt als Vorsitzender der Kreisärzteschaft Aalen-Ellwangen-Härtsfeld-Ries und Sprecher der Medi GbR Ostwürttem­berg seit fast zehn Jahren das Problem: Immer mehr Ortschaften haben keinen Arzt mehr, weil die Praxisabgeber keinen Nachfolger finden. Kreis­ärzteschaft, Bezirksärztekammer, Landrat, Regionalverband – viele machten sich Gedanken, wie dem Schwund entgegengewirkt werden könnte. Ohne reale Folgen.

In dieses Bild passte, dass 2016 zwei Arztehepaare, die eine Gemeinschaftspraxis in Aalen führten, keine Praxisnachfolger fanden. Eine Info-Veranstaltung von Medi Baden-Württemberg zum Verbandskonzept „Arztpraxen 2020“ lieferte einen neuen Impuls: das Freiberufler-MVZ. Allerdings wollten die vier das Zentrum nicht selbst betreiben, sondern darin als Angestellte sanft in den Ruhestand hinübergleiten. Den Part des MVZ-Gründers übernahm Graeter, der zusammen mit einem Kollegen im benachbarten Essingen eine Hausarztpraxis führt. Er erwarb die Praxis, die seit Januar 2017 als "MEDI-MVZ Aalen GmbH" firmiert, stellte die vier Ärzte an und ist dort als Geschäftsführer tätig. Der zweite Geschäftsführer, der Gesundheits­ökonom Wolfgang Fink, arbeitet sowohl für das MVZ als auch für Medi.

Graeter nennt mehrere Gründe, die für diesen Schritt sprachen:

1. Die Versorgung der Bevölkerung kann so eher sichergestellt werden. Für das MVZ konnte eine halbtags tätige junge Ärztin gefunden werden und eine Ärztin in Weiterbildung. Diesen ist ein Gehalt, planbare Arbeitszeiten und die Konzentration auf die medizinischen Aufgaben lieber als die Selbstständigkeit. Die vier über 60-jährigen Ex-Praxisinhaber werden voraussichtlich in den nächs- ten Jahren peu á peu ihre Tätigkeit reduzieren; die Ärztinnen fungieren auch als ärztliche Leiter. Die Stadt Aalen zeigt schon Interesse, ob das MVZ über eine Filiale einen weiteren Stadtteil mitversorgen könnte.

2.Dieses Modell kann bei der Altersversorgung des Arztes hilfreich sein. Praxen müssen nicht entschädigungslos geschlossen werden, sondern die Arztsitze lassen sich über das MVZ verwerten.

3.Graeter hält Klinik-MVZ für "Staubsauger" zur Bettenbelegung. Politisch sind ihm "Freiberufler-MVZ" lieber. Das MVZ auf der Ostalb ist ein Muster für Medi; weitere MVZ in anderen Regionen sind laut Medi in Vorbereitung.

Ob sich das MVZ rechnet, könne man erst in einigen Jahren beurteilen, meint Graeter. Er hat mit der Medi-Verbund AG einen Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen. Sie übernimmt Verwaltungsaufgaben, hilft etwa bei der Personalführung und der Abwicklung finanzieller Sachverhalte. „Ich könnte das nicht neben meiner Praxis machen“, sagt das Medi-Gründungsmitglied.

Problem absehbar: Jeder zweite Hausarzt ist über 60

Dass die AOK die MVZ-Gründung lobte, aber nebenbei erwähnte, der Ostalbkreis sei immer noch überdurchschnittlich gut mit Hausärzten ausgestattet, hat Graeter etwas verstimmt. Offenbar werde nicht verstanden, dass sich das Berufsbild bei den jungen Ärzten gewandelt habe. Für die Wiederbesetzung des Arztsitzes eines Selbstständigen brauche man drei angestellte Halbtagskräfte.

Folglich bedarf es weiterer Anstrengungen, soll die Patientenversorgung gesichert bleiben. Denn laut Graeter sind inzwischen 17 der 34 Hausärzte in Aalen über 60 Jahre alt. Konkurrenz macht das MVZ den Niedergelassenen nicht – wenngleich mancher Kollege, der bisher nach einer Praxisschließung über die Aufnahme weiterer Patienten stöhnte, nun befürchtet, dass dieser Zustrom wegen des MVZ ausbleiben könnte, erzählt der Arzt schmunzelnd.

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