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Krankengeld trotz fehlerhaftem AU-Nachweis

Verordnungen Autor: Maya Hüss/Michael Reischmann

Der AU-Durchschlag warnt vor Krankengeldverlust. Der AU-Durchschlag warnt vor Krankengeldverlust. © KBV
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Bescheinigt der Arzt per Rückdatierung, dass eine Arbeitsunfähigkeit (AU) durchgängig gegeben war, kann das gegebenenfalls den Krankengeldbezug des Patienten retten. Trotz dieser positiven Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) sehen Patientenberater noch Regelungsbedarf.

Entsteht bei der längeren Krankschreibung eines Arbeitnehmers eine zeitliche Lücke, gefährdet das grundsätzlich seinen Anspruch auf Fortzahlung des Krankengeldes. Vor dem BSG waren am 11. Mai 2017 zwei Fälle anhängig, bei denen sich die Patienten zwar rechtzeitig bei ihrem Hausarzt eingefunden hatten, aber dann die AU-Folgebescheinigungen nicht einwandfrei ausgestellt worden waren.

Im Fall einer depressiven Patientin endete die AU-Bescheinigung des Hausarztes am 3.1.2013 und dieser verwies auf die weitere Krankmeldung durch die Psychiaterin/Psychotherapeutin, wo sich die Frau am 4.1. vorstellte. Da der Krankengeldanspruch aber erst ab dem Folgetag der AU-Meldung gilt, entstand eine Lücke von einem Tag – und die Ersatzkasse stoppte den Geldtransfer (Az.: B 3 KR 22/15 R). Im zweiten Fall hatte der Allgemeinarzt die punktgenaue AU-Feststellung einer Brustkrebspatientin am Freitag, den 8.6.2012, "leider verpasst" und das am Montag rückwirkend nachgeholt – was die AOK aber nicht davon abhielt, ihre Zahlungen an die Arbeitslosengeld-Bezieherin einzustellen (Az.: B 3 KR 12/16 R).

Patienten hatten alles getan, was ihnen möglich war

Speziell Versicherte, die während des Krankengeldbezugs ihren Arbeitsplatz verlieren, müssen aber bedenken: Der während des Arbeitsverhältnisses entstandene Anspruch wirkt zwar für 78 Wochen – doch nur, solange die AU ohne Lücken bescheinigt wurde!

Das BSG erklärte nun: Sucht ein Patient seinen Arzt rechtzeitig auf und tut alles in seiner Macht Stehende, um seinen Krankengeldanspruch zu wahren, dann soll er nicht unter einer nichtmedizinischen Fehlentscheidung des Arztes leiden. Die Kasse kann sich auch nicht herauswinden, indem sie den Versicherten auf ungewisse Schadenersatzansprüche gegenüber dem Arzt vertröstet.

Denn dieser wiederum vertraue den AU-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, die ihn ermächtigen, auch drei Tage rückwirkend AU-Bescheinigungen auszustellen. Den Ärzten sei zwar regelmäßig nicht bewusst, dass ein erlaubtes rückwirkendes Attest durchaus zum Verlust langzeitiger und existenzieller Krankengeldansprüche des Versicherten führen kann, so die Richter. Da aber GKV-Vertreter an der Beschlussfassung des G-BA (hier: AU-RL) mitwirken, könnten sich die Krankenkassen nicht aus ihrer Mitverantwortung gegenüber dem Versicherten befreien.

Neue Kulanzfrist hilft nicht allen Krankengeldbeziehern

Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) begrüßt die Kasseler Entscheidung. Sie mache denjenigen Hoffnung auf Versicherungsschutz, die rechtzeitig beim Arzt waren und rechtzeitig nachträglich eine AU-Bescheinigung vorlegen konnten. Unklar bleibe aber, "wie mit den vielen Menschen in Deutschland verfahren wird, die, gerade weil sie aus Krankheitsgründen nicht rechtzeitig zum Arzt gekommen sind, eine Lücke in der Bescheinigung haben", schreibt die UPD in einer Pressemitteilung. Der Gesetzgeber habe zwar bereits eine Kulanzfrist über das Wochenende geschaffen, doch weiterhin gelte: "Fehlt dem Versicherten dar­über hinaus auch nur ein Tag in der Bescheinigung, ist der Anspruch auf Krankengeldbezug verwirkt."

Die Patientenberater plädieren dafür, die Kassen zu verpflichten, Versicherte explizit darauf hinzuweisen, dass der Bezug von Krankengeld an die AU-Bescheinigung gebunden ist. "Außerdem sollte der Gesetzgeber die Entscheidung des BSG zum Anlass nehmen, um im Sinne eines patientenfreundlicheren Gesundheitssystems den tatsächlichen Gesundheitszustand des Versicherten zum Maßstab für Bezug von Krankengeld zu machen." In den beiden BSG-Fällen haben nun die jeweiligen Kassen Krankengeld für vier bzw. zweieinhalb Monate nachzuzahlen.

Quelle: Urteile des Bundessozialgerichts

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