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Wehrt ein Rezeptstempel Regresse ab?

Verordnungen Autor: Rainer Kuhlen, Foto: Thinkstock

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Ist eine Verordnung von Physiotherapie unter Vorbehalt möglich, möchte ein Leser wissen. Rechtsexperte Rainer Kuhlen klärt auf.

Dr. H. C., Facharzt für Allgemeinmedizin:

Wegen der immer aggressiveren Forderungen nach Physiotherapieverordnungen habe ich mir einen Stempel anfertigen lassen: „Diese Verordnung ist medizinisch indiziert, erfolgt jedoch vorbehaltlich der schriftlichen Kostenübernahmeerklärung und Regressverzichtserklärung durch den Kostenträger bei Budgetüberschreitung.“ Ist so ein Text juristisch wasserdicht? Kann er vor Regress schützen?

Rainer Kuhlen, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Vellmar:


Es gibt Heilmittelverordnungen inner- und außerhalb des Regelfalls. Erstere bedürfen keiner Genehmigung durch die Krankenkasse bzw. nach § 30 Abs. 4 Bundesmantelvertrag für Ärzte wäre diese sogar unzulässig. Heilmittelverordnungen außerhalb des Regelfalls sind grundsätzlich vor Fortsetzung der Therapie der Krankenkasse zur Genehmigung vorzulegen. Mit dem Tag, an dem die Verordnung der Kasse vorliegt, übernimmt sie die Kosten für die verordneten Heilmittel bis zum Zugang der Entscheidung über den Genehmigungsantrag. Im Fall einer Ablehnung endet die Kostenübernahme mit dem Tag des Zugangs des ablehnenden Bescheides.

Für GKV-Leistungen gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot

Eine Krankenkasse kann auch auf ein Genehmigungsverfahren für die Heilmittelverordnungen außerhalb des Regelfalls verzichten, was einer Genehmigung gegenüber den Heilmittelerbringern entspricht. Die Kasse ist verpflichtet, die KV über den Genehmigungsverzicht zu informieren.

Bezüglich des verwendeten Stempels ist auf Folgendes hinzuweisen:
Gemäß § 12 Abs.1 Satz 2 SGB V dürfen Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, von Versicherten nicht beansprucht, von Leistungserbringern nicht bewirkt und von den Krankenkassen nicht bewilligt werden. Eine Heilmittelverordnung muss demnach stets medizinisch indiziert sein, damit die Übernahme ihrer Kosten durch die GKV in Betracht kommt.

Vorliegend sollen die Heilmittelverordnungen – nach dem Willen des Arztes – für die Physiotherapie bei Budgetüberschreitung unter dem Vorbehalt der schriftlichen Kostenübernahmeerklärung und der Regressverzichtserklärung durch den Kostenträger stehen.

Zur Behandlung gehört auch die Verordnung

Da bei Heilmittelverordnungen außerhalb des Regelfalls eine Kostenübernahmeerklärung durch die Krankenkasse sowieso einzuholen ist (es sei denn, sie verzichtet auf ein entsprechendes Genehmigungsverfahren), kann ein möglicher auf den Arzt zukommender Regress nicht im Vorfeld verhindert werden.

Zwar wird den Krankenkassen über § 106 Abs. 5c S. 6 SGB V die Möglichkeit eröffnet, jeden Regress durch Erlasserklärung zu beseitigen. Dem Arzt ist es aber nach den Vorgaben des Bundesmantelvertrags für Ärzte nicht erlaubt, eine solche Erklärung dadurch zu erzwingen, dass er seine Verordnung unter einen Vorbehalt stellt. Soweit ein Versicherter Anspruch auf Verordnung eines Heilmittels zu Lasten der GKV hat, ist der Arzt mit Übernahme der Behandlung verpflichtet, eine entsprechende Verordnung auszustellen.

Ein Arzt, der seine unter die Leistungspflicht der GKV fallenden Verordnungen unter eine Bedingung stellt, die eine Regressverzichtserklärung der Krankenkasse verlangt, muss damit rechnen, disziplinarrechtlich belangt zu werden, weil er notwendige Verordnungen nicht bzw. nicht bedingungslos durchführt.

Krankenkassen können bei der Richtgrößenprüfung nicht pauschal zu einem Regeressverzicht „genötigt“ werden.

Um einen möglichen Heilmittelrichtgrößenregress zu vermeiden, könnte der Arzt zumindest bei unklaren oder tendenziell nicht medizinisch indizierten Fällen ein Privatrezept ausstellen und es den Patienten überlassen, sich bei ihrer Krankenkasse selbst um eine Kostenerstattung zu bemühen.

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