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Spätfolgen Kortison vor der Geburt erfordert richtiges Timing

Autor: Stephanie Käufl

Für das langfristige Outcome von Kindern nach antenataler Glukokortikoidexposition ist offenbar der Zeitpunkt der Geburt wichtiger als der der Applikation. Für das langfristige Outcome von Kindern nach antenataler Glukokortikoidexposition ist offenbar der Zeitpunkt der Geburt wichtiger als der der Applikation. © janulla/gettyimages
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Glukokortikoide sollen bei drohender Frühgeburt die Lunge des Ungeborenen schneller reifen lassen. Doch gehen sie zugleich mit dem Risiko für neuropsychologische Spätfolgen einher – allerdings nicht in allen Fällen.

Bei drohender Frühgeburt fördert die Applikation von Glukokortikoiden die antenatale Lungenreifung und bessert das Outcome des Neugeborenen. Doch manche Kinder scheinen von dieser Maßnahme Spätfolgen davonzutragen, wie die Ergebnisse einer kanadischen Metaanalyse nahelegen.

Berücksichtigung fanden über 30 Studien mit insgesamt mehr als 1,25 Millionen Kindern, deren Outcome im Alter von mindestens einem Jahr erhoben wurde. Primäre Endpunkte waren neurologische Entwicklungs- und psychologische Störungen. Verglichen wurden Kinder, die in utero einem Zyklus Glukokortikoide ausgesetzt waren, mit solchen, deren Mütter diese Medikamente nicht bekommen hatten.

Unter den Kindern, die trotz drohender Frühgeburt termingerecht auf die Welt kamen, hatten diejenigen mit antenataler Glukokortikoidexposition ein erhöhtes Risiko für mentale Störungen und/oder Verhaltensauffälligkeiten (adjustierte Hazard Ratio, HR, 1,47). Auch bei „späten“ Frühchen wirkte sich die Lungenreifungsspritze langfristig aus. Ihr Risiko, abklärungswürdige neurokognitive Auffälligkeiten zu entwickeln, war nach Glukokortikoidexposition ebenfalls erhöht (HR 1,12), schreibt das Autorenteam um Kiran Ninan von der McMaster Universität in Hamilton.

Risiko für extreme Frühchen vergleichsweise gering

Dagegen brachte die Medikation bei Extrem-Frühchen keine negativen Folgen hinsichtlich der neuropsychologischen Entwicklung: Ihr Risiko für derartige Probleme war gegenüber dem der Extrem-Frühchen ohne Kortisonspritze sogar signifikant verringert (HR 0,69).

Für das langfristige Outcome von Kindern nach antenataler Glukokortikoidexposition ist offenbar der Zeitpunkt der Geburt wichtiger als der der Applikation. Dies ist insofern von Bedeutung, als etwa 50 % der wegen befürchteter Frühgeburt mit Glukokortikoiden behandelten Mütter dann doch nicht vorzeitig entbinden. Da diese Kinder neuropsychologische Langzeitschäden erleiden können, mahnen die Autoren bei der Lungenreifungsspritze zu größerer Vorsicht.

Zwar habe die Metaanalyse ihre Schwächen, heißt es in einem Kommentar zur Studie: So seien weder die Follow-up-Untersuchungen einheitlich, noch sei klar, ob die gefundenen Störungen bis ins Schulalter anhielten. Trotzdem unterstreiche die Metaanalyse die Notwendigkeit, den Nutzen von während der Schwangerschaft verabreichten Glukokortikoiden zu hinterfragen. Zudem sei deren Indikation auch im Hinblick auf die modernen neonatologischen Behandlungsmöglichkeiten zu prüfen. Denn die meisten positiven Studien zur antenatalen Glukokortikoidgabe stammten aus der Zeit vor dem Jahr 2000.

Quelle:
1. Ninan K et al. JAMA Pediatr 2022; DOI: 10.1001/jamapediatrics.2022.0483
2. Duncan A et al. JAMA Pediatr 2022; DOI: 10.1001/jamapediatrics.2022.0480