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Das vermutlich stärkste Gefühl der Welt

Aus der Redaktion Autor: Maria Fett

© MT
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Es ist intensiver als Liebe, wir alle spüren es fast täglich und doch kennt kaum jemand seinen Namen: Kama Muta. Kama Muta ist das vermutlich stärkste Gefühl der Welt, der Grund, weshalb uns Tierbabys so rühren, wir im WM-Finale einfach mitfiebern – und Katzenvideos funktionieren. Eine Kolumne.

Zu erkennen, wann wir wütend sind oder ängstlich, uns freuen oder vor etwas ekeln, ist leicht. In zwischenmenschlichen Beziehung und im Umgang mit uns selbst würde uns definitiv etwas fehlen, wenn wir solch intensiven Gefühle nicht benennen könnten. Doch für eine, vielleicht die intensivste Emotion, hatten wir lange Zeit keinen Begriff.

Trotzdem haben wir sie gespürt, kennen sie intuitiv. Sie überkommt uns nicht, wenn wir allein sind. Sie ist eine soziale Emotion. Etwas, das uns nur widerfährt, wenn uns ein Ereignis, eine Gruppe oder eine Person angenehm überrascht. Wenn wir Fotos von Tierbabys ansehen, zum Beispiel, oder unsere Lieblingsmannschaft gewinnt. Wenn wir in einer religiösen Gemeinschaft singen, ein Kunstwerk betrachten, die Schlussszene eines Liebesfilmes sehen oder das erste Mal unser Neugeborenes im Arm halten. Vielleicht ist sie sogar der Grund, weshalb Katzenvideos funktionieren.

Erst seit wenigen Jahren beschäftigen sich Forscher intensiver mit diesem Gefühl, dem sie den Namen „Kama Muta“ gegeben haben. Kama Muta entstammt dem Sanskrit und bedeutet so viel wie „von Liebe bewegt“. Mehrere tausend Menschen aus vielen verschiedenen Ländern wurden untersucht, Tagebucheinträge gelesen, Interviews geführt, Treffen und Versammlungen in unterschiedlichen Kontexten beobachtet. Am Ende steht die Erkenntnis, dass Kama Muta eng mit Liebe verwandt ist, aber eben nicht mir ihr identisch.

Während Liebe oft überdauert, ist Kama Muta nach ein bis zwei Minuten vorbei. Es ist das Gefühl, das entsteht, wenn sich Liebe entzündet. Kama Muta wird durch eine plötzliche Intensivierung gemeinschaftlichen Erlebens entfacht, beim ersten Kuss vielleicht oder wenn uns jemand gegenüber unerwartet freundlich ist. Es kann zu Mitgefühl und Hingabe motivieren. Es fühlt sich gut an. Und es kann in besonders intensiven Momenten mit denselben physiologischen Reaktionen wie Liebe einhergehen: ein Kloß im Hals, Tränen in den Augen, ein warmes Gefühl in der Brust, Gänsehaut, ein Lächeln. Vieles an Kama Muta ist noch unbekannt. Welche biochemischen Vorgänge liegen ihm zugrunde, welche neuronalen Prozesse sind an ihm beteiligt? Wie werden die charakteristischen Motive und Empfindungen induziert? Über eines aber sind sich die Forscher jetzt schon einig: Kama Muta ist vermutlich das stärkste Gefühl, zu dem Menschen in der Lage sind.

Maria Fett
Medizinredakteurin Medical Tribune

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