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Praxiskolumne Ein Abschied in merkwürdigen Zeiten

Autor: Dr. Jörg Vogel

Die Leichtigkeit und der Humor der Kolumnen scheinen zunehmend verloren zu gehen – Gründe aufzuhören. (Agenturfoto) Die Leichtigkeit und der Humor der Kolumnen scheinen zunehmend verloren zu gehen – Gründe aufzuhören. (Agenturfoto) © MT; iStock/grinvalds
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Unser Kolumnist wollte die humorvolle Seite des ärztlichen Alltags zeigen. Diese Leichtigkeit scheint immer weniger zu werden – weswegen er nun mit der Kolumne aufhört.

Als man mich vor fünf Jahren fragte, Kolumnist für die Medical Tribune zu werden, war ich unschlüssig. Einerseits betrachtete ich es als große Ehre, für dieses bekannte Blatt zu schreiben. Auf der anderen Seite stand ein hoher Anspruch an mich selbst. Denn was macht ein Kolumnist? Er kommentiert den Alltag einer sozialen Gruppe von Menschen aus einem anderen Blickwinkel, was im Idealfall den Horizont für alle erweitert. Wenn ich diese Aufgabe also annahm, dann wollte ich die humorvolle Seite unseres ärztlichen Alltags hervorkitzeln, so wie in meinen Büchern. Denn das Leben ist schon ernst genug.

Und ganz offensichtlich gelang mir das recht gut, wie die vielen begeisterten E-Mails und Zuschriften an mich bewiesen. Klar, es gab auch mal einen Kollegen, der ernsthaft anregte, meine Kolumnen nicht mehr in der Medical Tribune zu veröffentlichen. Aber damit kann ich als Kolumnist leben. Ich hätte mir das Schreiben an sich sowieso von niemandem verbieten lassen, denn dieser kreative Prozess gehört schon seit Jahrzehnten zu den schönsten Momenten meines Lebens.

Man hat ein Thema oder auch nur eine Beobachtung und schreibt einfach drauf los. Und am Ende staunt man, wohin einen der Gedankenfluss getragen hat, welche Pointe hier mal wieder wie aus dem Nichts entstanden ist oder wie sich der Kreis zum Anfang geschlossen hat. Nicht umsonst spricht man auch vom Abenteuer Schreiben.

Dann kam diese merkwürdige Pandemie und legte sich wie ein dunkles Tuch über Deutschland und die Welt. Die Coronaviruser­krankung wurde zum Politikum erhoben und die Menschen einer medialen Dauerbeschallung mit angstmachenden Zahlen und panikauslösenden Nachrichten ausgesetzt. Es kam zu einer beispiellosen Einschränkung der bürgerlichen Grundrechte und zu – sich beinahe im Wochenrhythmus verändernden und zum Gesetz erhobenen – Verhaltensregeln. Eine Diskussion darüber schien unerwünscht.

Aus meiner Perspektive lag das pathogene Potenzial von COVID-19 folglich auch im massenweisen sozialen Krankwerden der Bevölkerung. Dies spiegelte sich in unserem Praxisalltag wider. Die Patienten wurden ängstlicher oder aggressiv. Viele resignierten, mit den Folgen Depressivität, Essstörungen und körperlicher Verfall. Darüber hinaus glaubten vor allem jüngere Patienten zunehmend, dass sich sämtliche körperlichen Zustände durch eine Unzahl an Laborwerten darstellen lassen und verlangten diese dann auch.

Dem allen mussten und müssen wir uns in unserer täglichen Arbeit stellen. Die Sprechstunde wurde immer zeitaufwändiger und kostet heute deutlich mehr Kraft als früher. Nebenbei müssen noch Gesetzesvorschriften durchgesetzt werden, das Impfwesen organisiert und die Tücken einer unsinnigen Digitalisierung gemeistert werden. Das Telefon klingelt pausenlos, da den Menschen von der Politik eine Art Fernkrankschreibung zugesagt wurde. So arbeiten meine Helferinnen und ich seit zwei Jahren eigentlich permanent am Limit.

Das alles schlug sich natürlich auch auf meine Kolumnen nieder. Sie wurden immer politischer und zorniger. Oder eben auch resignativer. Die Leichtigkeit und der Humor scheinen zunehmend verloren zu gehen. Das aber wollte ich nie. Und so habe ich die Medical Tribune um meinen Abschied als Kolumnist gebeten. Dies ist also heute meine letzte Kolumne.

Bleibt mir, den Redakteurinnen und Redakteuren für die sehr gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu danken. Und danken möchte ich natürlich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für Ihre Treue und für Ihre anregenden Zuschriften. Ich wünsche uns allen viel Gesundheit und dass diese Welt wieder friedlicher wird.

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